Kommentar Arigona Zogaj: Österreichische Gnadenlosigkeit

Die Abschiebung von Arigona Zogaj zeigt die irrationale Einwanderungspolitik Österreichs. Damit treibt die Regierung Flüchtlinge in die Arme von Schleppern.

Was geht in einem Politiker vor, wenn er mit einem Federstrich die Zukunft eines Menschen vernichtet? Für Österreichs Innenminister Günther Platter wäre es ein Leichtes gewesen, von seinem Recht Gebrauch zu machen, der 15-jährigen Arigona Zogaj und ihrer Mutter humanitären Aufenthalt zu gewähren. Zweierlei hätte er so signalisiert: Erstens hat auch der als Hardliner positionierte Sicherheitsfanatiker ein Herz. Zweitens: Es zahlt sich aus, sich vorbildlich zu integrieren. Die Zogaj-Kinder sind in Oberösterreich aufgewachsen und haben dort ihre Ausbildung genossen. Die bereits abgeschobenen Geschwister haben im Kosovo weder Freunde noch Aussichten auf einen Job. Platter hätte die humane Geste als weihnachtlichen Gnadenakt verpacken können, ohne damit von seiner Linie "Gesetz ist Gesetz und gehört vollzogen" abweichen zu müssen. Er hat sich aber dagegen entschieden, um unmissverständlich klarzustellen: Österreich macht die Grenzen dicht.

Man dürfe Asyl nicht mit Zuwanderung vermischen, mahnt Platter immer wieder an, so als hätten er und seine Parteifreunde nicht dafür gesorgt, dass legale Einwanderung aus Drittstaaten praktisch unmöglich ist. Die immer geringeren Zuwanderungsquoten werden vom Familiennachzug beansprucht. Seitdem Asylanträge nicht mehr im Ausland gestellt werden können, bleibt nur der Weg über teure und gewissenlose Schlepper.

Dass Österreich längst ein Einwanderungsland ist und wie die meisten EU-Staaten Zuwanderung dringend braucht, wird verleugnet. Die unbequeme Wahrheit könnte Stimmen kosten. Dafür sorgen nicht nur die hetzerischen Rechtsparteien, sondern auch die Regierung selbst, die das restriktive Fremdenrecht eher noch verschärfen statt lockern will. Die rechtsstaatlich höchst umstrittene Streichung der Appellation an den Verwaltungsgerichtshof gegen negative Asylbescheide, wie sie letzte Woche beschlossen wurde, passt in dieses Bild. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass mit der Ausschaffung der unglücklichen Arigona Zogaj das Thema Fremdenpolitik nicht vom Tisch ist.

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*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.

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