Ausbau des Frankfurter Flughafens: Vertreibung aus dem Bannwald
Hessens Regierung unterzeichnet den Planfeststellungsbeschluss für den weiteren Ausbau des Rhein-Main-Flughafens. Unterlaufen wird jetzt sogar das Nachtflugverbot.
FRANKFURT AM MAIN taz Zauneidechsen und Hirschkäfer im Kelsterbacher Bannwald am Frankfurter Rhein-Main Flughafen haben jetzt endlich Planungssicherheit. Sie werden bald in den schon von der Startbahn 18 West in zwei Hälften getrennten Mönchbruchwald auf der anderen Seite der Autobahn Frankfurt-Köln umgesiedelt werden müssen.
Denn nach dem am Dienstag vom Hessischen Minister für Wirtschaft und Verkehr, Alois Rhiel (CDU), unterzeichneten Planfeststellungsbeschluss für den weiteren Ausbau des Frankfurter Flughafens ist der Bau der Landebahn Nordwest mitten durch das Wohngebiet der vom Aussterben bedrohten Tierarten jetzt beschlossene Sache.
Rund 300 Hektar Wald werden für die neue Landebahn gerodet werden müssen. Ein Chemiewerk wird für knapp 1 Milliarde Euro abgerissen und im Industriepark Höchst neu aufgebaut. Und auf dem Gelände der ehemaligen US Air Base am Rande des Zivilflughafens wird ein gigantisches drittes Abfertigungsgebäude errichtet. Investitionsvolumen insgesamt: 4 Milliarden Euro.
Das Vorhaben, die größte Einzelinvestitionssumme in ganz Deutschland, rechnet Wilhelm Bender, Chef der Betreibergesellschaft Fraport AG, vor. 25.000 neue Arbeitsplätze würden nach dem Ausbau direkt am Flughafen entstehen, behauptet Bender. 75.000 weitere Arbeitsplätze sollen durch den Ausbau selbst und in die Region hineinwirkende Beschäftigungseffekte entstehen, prophezeit Bender. In einem weiteren Projekt, der sogenannten Airport City, will die Fraport AG weitere 10 Milliarden Euro investieren.
Im ohnehin zersiedelten Rhein-Main-Gebiet zahlen den Preis dafür letztendlich "Mensch und Natur", wie die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) anmerkte. Denn Fluglärm und Abgase machen krank. Roth stimmt der Ausbauplanung dennoch "politisch" zu. Denn die Anzahl der Nachtflüge von 23 Uhr bis 5 Uhr sei im Planfeststellungsbeschluss von heute 41 auf 17 begrenzt worden. Und auf der neuen Rollbahn darf nachts überhaupt nicht gelandet werden. Für Roth ist das "im Interesse der Menschen".
Dass die hessische Landesregierung mit der Genehmigung von jetzt 17 Nachtflügen ihr Versprechen von einem absoluten Nachtflugverbot gebrochen hat, steht außer Zweifel. Schließlich lautete das Credo von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) seit 2000: "Kein Ausbau ohne Nachtflugverbot". Rhiel bedauerte das. Der Minister verwies entschuldigend auf Urteile deutscher Verwaltungsgerichte zu den Ausbauvorhaben anderer Flughafenbetreiber. Absolute Nachtflugverbote seien dort juristisch nicht durchsetzbar gewesen. Das habe man bei der Planfeststellung jetzt berücksichtigen müssen. Mit den 17 Nachtflügen für Rhein-Main sei nun eine "gerichtsfeste Regelung" gefunden worden.
Den Bürgermeister der von Fluglärm besonders betroffenen Stadt Raunheim, Thomas Jühe, interessiert das aufgeweichte Nachtflugverbot ohnehin nur am Rande. 701.000 Flugbewegungen pro Jahr werde es nach dem Ausbau 2020 auf Rhein-Main geben; 2006 seien es 489.000 gewesen. Wer es sich leisten könne, ziehe deshalb schon heute weg aus Raunheim. Und weil die versprochenen neuen Arbeitsplätze am Flughafen überwiegend Billigjobs seien, vollziehe sich in der Region auch eine soziale Umschichtung "mit all den daraus resultierenden Problemen". Ob die Menschen etwa in Eddersheim auf der anderen Mainseite überhaupt noch wohnen bleiben können, ist unklar. Über dem kleinen Ort werden die Maschinen zur Landung auf der neuen Bahn Nordwest einschweben - "zum Greifen nahe".
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