Portrait Wolfgang Steiert in Russland: Hohe Erwartung auf maroden Schanzen

Mit Unterstützung von Gazprom soll Wolfgang Steiert die russischen Skispringer zu den besten der Welt formen. Bislang plagt er sich aber mit den Widrigkeiten des Alltags herum.

Gewaltiger Erwartungsdruck: Der ehemalige deutsche Bundestrainer Wolfgang Steiert trainiert seit drei Jahren die russischen Skispringer. Bild: dpa

Wolfgang Steiert hat als Cheftrainer der russischen Skispringer Probleme: Die Verständigung zwischen dem Schwarzwälder und seinen Schützlingen aus Russland ist kompliziert. Auch stehen in den Weiten Russlands keine Schanzen, auf denen professionelles Training möglich ist. Nichtsdestotrotz fordert der Präsident des Skiverbandes den größtmöglichen Erfolg: Goldmedaillen. Wolfgang Steiert ist dennoch gut gelaunt. Es ist seiner Ansicht nach eine kleine Erfolgsgeschichte entstanden, seit er vor drei Jahren das Cheftraineramt in Russland antrat. "Damals hatten wir drei Sportler und einen Trainer, jetzt sind es fünf Springer und drei Betreuer", zählt er auf. Zum Team gehöre nun auch ein Physiotherapeut. Klaus Hüttner, einst zuständig für die deutschen Gewichtheber, kümmere sich jetzt um die russischen Springer. Auch einen ziemlich prominenten Sponsor hat das Team: Gazprom Germania, die deutsche Tochter des russischen Energieriesen, stellte bei der Vierschanzentournee vor dem Springen in Oberstdorf (bei Redaktionsschluss noch nicht beendet) ihr Engagement für die Flieger vor.

Um weitere drei Jahre ist Steierts Trainervertrag kürzlich verlängert worden. Und das, obwohl er das vorgegebene Ziel von Gold 2006 in Turin verfehlt hat. Immerhin: Dimitri Wassiliew hatte nach dem ersten Durchgang geführt. Steiert hat sich mit solch überhöhten Forderungen arrangiert. Er weiß mittlerweile, wie es läuft. "Man kann da die deutsche Mentalität nicht einfach übernehmen und durchziehen. Man muss einen gemeinsamen Weg finden." Dass man jedoch 2014, wenn in Sotschi am Schwarzen Meer um Olympiagold gesprungen wird, ein ernstes Wörtchen mitreden möchte, ist nach dem Willen von Verbandspräsident Wladimir Slawski klar. Der erklärt unmissverständlich, dass Russland bei den heimischen Spielen zur besten Skination aufsteigen soll. Steiert wird gelobt als ein "guter Trainer und guter Organisator". Das tut gut, schließlich war Steiert vor dreieinhalb Jahren nach nur 18 Monaten als deutscher Cheftrainer rüde entlassen worden. Bei den Russen hat er eine Heimat gefunden. Seine Springer sprechen gebrochen Deutsch und Englisch. "So können sie auch mit den anderen Springern sprechen, haben Kontakt zu ihnen und werden akzeptiert", sagt der Deutsche. Er selbst rede oft mit Händen und Füßen, "aber da komme ich nicht richtig rein in die Köpfe".

Steiert grämt sich trotzdem nicht, erfreut sich lieber an Pavel Karelin, 17 Jahre alt und talentiert. Beim Sommer-Grand-Prix in Klingenthal wurde er Zweiter, zuvor hatte er die Nachwuchsliga FIS-Cup gewonnen. "Das sind Dinge, auf die man als Trainer stolz sein kann", findet Steiert. Karelin ist eines der kostbaren Talente, an denen es dem russischen Skisprung mangelt. Es gibt im Land keine modernen Schanzen, auf denen junge Athleten trainieren können. Die Schanzen, die von der einstigen Stärke der Sowjetunion zeugen, sind verrostet, baufällig und passen nicht zum modernen Sprungstil. Für die Nationalmannschaft sei dieser Umstand kein allzu großes Problem, das Geld reiche für Trainingslager in Mitteleuropa, sagt Steiert. "Aber wir müssen die Infrastruktur verbessern. Wir brauchen viele Schanzen in Russland." Mehrere neue Anlagen, so heißt es, seien geplant. Seit Jahren fantasiert Walter Hofer, Skisprungchef im Weltskiverband FIS, davon, Weltcups in Russland auszutragen. Doch konkret wird er dabei nie.

Seine russischen Visionen wirken eher, als sollten sie Druckmittel sein für die mittel- und nordeuropäischen Weltcupausrichter, sich ihrem Status nicht zu sicher zu sein. Motto: Der Osten steht als Alternative bereit. Der Verbandspräsident sagt, dass man 2011 oder 2012 die Weltelite nach Russland einladen könne.

Die russische Öffentlichkeit, so versichert Slawski, interessiere sich mehr für das Skispringen. Doch noch fehlt die Initialzündung, sagt Steiert. Ein russischer Sieg beim Neujahrsspringen wäre gerade recht, um die Begeisterung zu schüren, hat nun auch der Trainer so hochfliegende Träume wie sein Skiverband. "Dann stünde auch Präsident Putin an der Schanze."

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