Ermittlungen zum Halberstadt-Überfall: Polizei patzt mal wieder

Im Prozess um einen Überfall Rechtsextremer auf Schauspieler in Halberstadt hat die Polizei wichtige Akten erst jetzt dem Gericht übergeben.

Von Demonstranten markierter Tatort in Halberstadt im Juni 2007 Bild: dpa

In Sachsen-Anhalt hat sich die Polizei bei Ermittlungen gegen Rechtsextreme eine weitere Panne geleistet. Im Prozess zu dem Überfall auf Schauspieler in Halberstadt bekamen Gericht und Verteidigung erst jetzt wichtige Ermittlungsergebnisse. "Dass dieses Material nicht seit Eröffnung der Verhandlung vorliegt, ist skandalös", sagte Heike Kleffner von der Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer Gewalt.

Auch die Staatsanwaltschaft ist nicht glücklich über die Zuarbeit der Polizei, der ein interner Bericht bei den Ermittlungen in Halberstadt "Gesamtversagen" attestiert. "Ein solch offensichtliches Versehen darf nicht vorkommen", sagte ein Sprecher der Behörde in Halberstadt. Nachdem die Akten am Mittwoch dem Richter vorgelegt wurden, unterbrach dieser die Verhandlung. Vier Männer müssen sich seit Oktober 2007 wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Amtsgericht in Halberstadt verantworten. Sie sollen 14 Theaterschauspieler überfallen und teilweise schwer verletzt haben.

In dem Prozess müssten jetzt Zeugen noch einmal vernommen oder neu geladen werden, sagte Franziska Nedelmann, die als eine von sieben AnwältInnen die angegriffenen Schauspieler vertritt. Sie kritisiert insbesondere, "dass die aufgefundenen Akten auf Ermittlungen kurz nach der Tat im Sommer beruhen. Sie hätten deshalb schon lange vorliegen müssen."

Tatsächlich beinhaltet das Polizeimaterial Aussagen und Spuren, welche die Beamten unmittelbar nach dem Überfall im Juni 2007 zusammengetragen haben: Fotos vom Tatort, Zeugenaussagen, Blutspuren auf Kleidung und ein Bericht über mehrere SMS, die einer der Angreifer von seinem Handy aus abschickte. Auf das Material stieß der ermittelnde Staatsanwalt Harald Seehorsch am 20. Dezember 2007. Er redete mit Polizisten über den Fall, dabei erwähnten diese das bisher nicht verwendete Material. Erst Seehorsch schickte die noch nicht untersuchten Blutspuren ins Labor.

Sachsen-Anhalts Behörden stehen seit Monaten wegen ihres eigenwilligen Umgangs mit Rechtsextremismus in der Kritik. Am Mittwoch warf die linke Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau der Landesregierung vor, die Zahl rechter Straftaten schönzurechnen. Das Land hatte diese für den November 2007 laut Bundesinnenministerium mit null angegeben. Ein Sprecher des Justizministeriums rechtfertigte dies damit, dass man für den November gar keine Zahlen angegeben habe, weil diese nach Einschätzung des Ministeriums falsch seien. Schließlich habe das Landeskriminalamt Anfang 2007 eigenmächtig eine neue Zählweise eingeführt, und das Ministerium sei derzeit dabei, die Statistik zu überprüfen. Pau lässt dies nicht gelten: "Allein die Opferberatung hat in Sachsen-Anhalt im November sechs Gewalttaten mit offensichtlich rechtsextremem Hintergrund gezählt, das Ministerium hätte ja seine Zahlen unter Vorbehalt melden können anstatt einfach eine Null hinzuschreiben."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.