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Richtungsentscheidung für KernenergieBriten planen zehn Atomkraftwerke

Die Regierung in Großbritannien setzt auf Atomenergie - der Energiesicherheit und dem Klimaschutz zuliebe, argumentiert sie. Für die Bürger könnte das teuer werden.

Das bisher letzte Atomkraftwerk, "Sizewell B", wurde vor 20 Jahren gebaut Bild: ap

LONDON taz Die britische Labour-Regierung hat am Mittwoch den Bau von zehn neuen Atomkraftwerken beschlossen. Wirtschaftsminister John Hutton sagte vor dem Unterhaus, dass neue Anlagen gebaut werden müssen, um "die künftige Energiesicherheit zu gewährleisten und einen ausgewogenen Energiemix zu produzieren". Das bisher letzte Atomkraftwerk, Sizewell B in Suffolk, wurde vor 20 Jahren gebaut.

Contra Atomkraft

Großbritannien will eine Renaissance der Atomkraft, Spanien nicht: Statt auf Atomenergie zu setzen, will die Regierung Zapatero erneuerbare Energien ausbauen. "Es wäre einfacher zu sagen, dass wir Atomenergie ausbauen", sagte der Ministerpräsident José Luis Rodriguez Zapatero diese Woche bei einem Wirtschaftsforum in Madrid. Besser sei es jedoch, "die schwierige und anspruchsvolle Herausforderung anzunehmen", die die Weiterentwicklung von Ökoenergien darstelle. Bisher erzeugen in Spanien

acht Atomkraftwerke knapp ein Viertel des nationalen Strombedarfs. (afp)

Atomkraftwerke decken 18 Prozent des britischen Strombedarfs, doch bis auf Sizewell B sollen sie spätestens 2023 abgeschaltet werden. Noch 2003 hatte die Regierung Atomkraft als "unattraktive Option" bezeichnet. Diese Meinung revidierte sie zwei Jahre später - weil sie Großbritannien von den Krisenherden im Nahen Osten unabhängiger machen und den Ausstoß von Kohlendioxid bis 2050 um 60 Prozent im Vergleich zu 1990 senken will.

Allein: Die jetzt anvisierten zehn neuen Atomkraftwerke würden nur eine Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen um vier Prozent bewirken. So ist die Entscheidung der Regierung am Donnerstag heftig kritisiert worden. Greenpeace-Geschäftsführer John Sauven sagte: "Eine Senkung des Kohlendioxidausstoßes um vier Prozent irgendwann nach 2025 ist zu wenig und zu spät, während künftige Generationen sich mit dem teuren Vermächtnis herumschlagen müssen, den Atommüll zu entsorgen." Und der Chef der Liberalen Demokraten, Nick Clegg, meinte: "Die Regierung sollte ehrlich sein und die Kosten für den Bau und Unterhalt der neuen Atomkraftwerke bekannt geben. Wir wollen wissen, wer die Rechnung am Ende bezahlt."

Minister Hutton erklärte, dass die Privatwirtschaft die Kosten für die Ausmusterung und die Entsorgung des Atommülls bezahlen müsse. Wenn das ernst gemeint wäre, würde es allerdings keine neuen Atomkraftwerke geben. Die Banken haben schon seit langem das Risiko gescheut, Geld in eine Industrie zu pumpen, die stets am Rande des Bankrotts operiert. Laut Rechnungshof musste die Regierung schon mit 5,1 Milliarden Pfund (6,8 Milliarden Euro) einspringen, um die Atomfirma British Energy zu retten.

Huttons Versicherung, dass keine Steuergelder in die Atomwirtschaft fließen werden, ist auch nicht ernst gemeint. So müssen die Unternehmen zum Beispiel keine Lager für radioaktiven Müll bauen, sondern können sich Lagerraum in einer riesigen Atom-Gruft mieten, die von der Regierung gebaut wird. Von Steuergeldern wird auch die "Ausgleichzahlung" in Höhe von knapp 1,3 Milliarden Euro an jene Gemeinde bezahlt, in der diese Gruft gebaut werden soll. So soll der Widerstand dagegen gebrochen werden.

Auch die Kosten für die Sicherheit und den Atommülltransport übernimmt der Staat. Und selbst die Ausmusterungskosten müssen am Ende die Kunden begleichen. Die Regierung will von den Unternehmen dafür zwar Gebühren für jede verbrauchte Stromeinheit kassieren. Diese sollen in einem Fonds angelegt werden. Doch diese Gebühren werden zweifellos an die Kunden in Form von höheren Strompreisen weitergereicht.

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4 Kommentare

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  • I
    Igel

    Lieber "Neue Wege",

     

    dein Kommentar ist mal wieder der Beweis, dass im Lager der Kernkraftgegner völlige Unwissenheit herrscht.

    1.) Uranpreis und Lagervorkommen: Der Uranpreis hat sich auch deshalb verteuert, weil er in den 90ern sehr niedrig war, weil man durch die Abrüstung sehr viel Uran hatte (Ist ja ne tolle Sache gewesen, die todbringenden Atombomben in saubere Energie umzuwandeln). Nun steigt er hat wieder, aber was vergessen wird, ist, dass die Urankosten einen geringen Teil ausmachen an dem Betrieb von Kernanlagen, weil der Brennstoff Uran eben verdammt effizient ist. Die Lagervorkommen sind ausreichend für die nächsten 200 Jahre und bis dahin haben wir wirtschaftliche Regnerative Energien oder die Kernfusion

    2.)"Werden wir unseren Enkeln noch genügend Brennstoff für die Kernfusion übrig lassen?"

    Der Brennstoff der Kernfusion (Deuterium und Tritium) wird aus Lithium und Wasser hergestellt und den gibt es: "Wie Sand am Meer!" Man sollte sich zumindest ein wenig mit den dingen befassen, die man kritisieren möchte, aber das tun ja noch nicht mal die Herren Politiker oder diese Zeitung hier..

    3.)Zitierte "Störfälle": s.o.: Man sollte sich zumindest ein wenig mit den dingen befassen, die man kritisieren möchte, dann würde man die angeblichen Störfälle auch besser einordnen können und deren "Gefährlichkeit" besser einschätzen können.

  • NW
    Neue Wege

    Naja, die Fakten liegen seit langem auf dem Tisch. doch wer weiss, das in den letzten Jahren nicht nur das Öl, sondern auch das Uran teurer geworden ist? Schließlich gibt es das auch nicht wie Sand am Meer und so hat sich der Preis nach Auskunft der Umweltfinanz Berlin knapp verdreifacht. Werden wir unseren Enkeln noch genügend Brennstoff für die Kernfusion übrig lassen?

    Nukleartechnik war zudem noch nie sicher und wird es auch nicht werden. http://de.wikipedia.org/wiki/St%C3%B6rf%C3%A4

    lle_in_europ%C3%A4ischen_Atomanlagen#2006

     

    Selbst wenn viele andere Nationen von dem technischen Schnickschnack angetan sind - ich bin lieber für regeneratieve Energie. Und die ist genau so machbar, also hindert uns nichts daran, eine wirkliche ökologische Wende zu wagen, als die ständige Reaktion der großen Energieriesen wie Vattenfall.

  • DG
    Dr. Günter Lang

    Es verwundert mich immer wieder, dass die deutschen Kernkraftgegner meinen, sie würden für die Weltbevölkerung sprechen. In nahezu jedem größeren Land unseres Planeten werden wieder neue Kernkraftwerke gebaut (USA, Japan, Finnland, Schweiz, Frankreich, Russland, Ukraine, Thailand, Südkorea, Indien, ...), um zum einen ältere Kraftwerke zu ersetzen, um zum anderen die Gesamtkapazität schneller als den Elektrizitätsnachfragezuwachs zu erhöhen. Der Bestand an Kernkraftwerken wird von jetzt 440 auf ca. 800 bis 1200 im Jahr 2025 anwachsen. Angesichts der enorm hohen fossilen Energiepreise bei gleichzeitig geringen Kapitalkosten wird Kernkraft nicht mehr nur wie bisher im Grundlastbereich, sondern auch im Mittellastsegment eine interessante Alternative.

     

    Bei einer Lebensdauer von 60 bis 80 Jahren eines Kernkraftwerks dürfte die Zeit bis zur Marktreife der Kernfusion (deutsche Kernkraftgegner kennen natürlich nicht den kleinen, aber feinen Unterschied) leicht überbrückt werden.

     

    Leider schreiben die Redakteure der taz - zugegebenermaßen im strammen Gleichschritt mit dem großen Rest der deutschen Einheitsjournalistenhorde - zum Thema Kernenergie lediglich auf Bild-Zeitungsniveau ohne Wissen und Verantwortungsbewusstsein, dafür aber mit viel narzisstischem Hintergrundgefühl.

     

    Ich wünsche mir Politiker, die keine Zeitung lesen, sondern stattdessen gute Energiepolitik betreiben. Insbesondere solche, die den deutschen Ausstiegsbeschluss in die Mülltonne befördern und den Unternehmen alle Energieerzeugungsformen erlauben. Subventionen oder absurde Preis- und Abnahmegarantien sind ja im Gegensatz zu den ultra-teuren Spielzeugen der "Ökobranche" nicht erforderlich. Lassen Sie uns hoffen, dass Frau Merkel bald durch weniger populistische Alternativen abgelöst wird.

  • MT
    Marcel Thannhäuser

    Da sieht man mal wieder, dass Atomstrom weder günstig, noch umweltgerecht, geschweige denn Zukunftsweisend ist.

    Leider haben das auch in unserem Land noch nicht alle begriffen, wie man an immer lauter werdenden Stimmen für eine Atom-Renaissance bemerken kann.

    Ich persönlich wäre schwer sauer, wenn ich auf einer Atom-Müllhalde aufwachsen müsste die obendrein noch Unmengen an Steuergeldern frisst.