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Amputierter Sprinter darf nicht startenOhne Beine kein Olympia

Der Sprinter mit amputierten Unterschenkeln wollte bei den Olympischen Spielen in Peking antreten. Das wurde ihm jetzt verwehrt - weil er durch seine Prothesen bevorteilt wäre.

Karbonprothese gegen echte Beine? Gilt nicht, meint der Leichtathletikverband. Bild: dpa

Oscar Pistorius hat eine der schwersten Niederlagen seiner Sportlerkarriere hinnehmen müssen. Der Ausbruch aus der Welt des Behindertensports bleibt ihm verwehrt. Am Montag hat der Internationale Leichtathletik-Verband (IAAF) in Monte Carlo entschieden, dass der unterschenkelamputierte Sprinter nicht an Olympischen Spielen teilnehmen darf. Schon zuvor hatte der Südafrikaner angekündigt, gegen einen negativen Bescheid Widerspruch einlegen zu wollen. Oscar Pistorius, der ohne Wadenbeinknochen zu Welt gekommen ist und im Alter von elf Monaten amputiert worden ist, will so schnell nicht aufgeben.

Grundlage für die Entscheidung der IAAF war eine Studie, die am Institut für Biomechanik und Orthopädie der Sporthochschule Köln unter der Leitung von Gert-Peter Brüggemann durchgeführt worden ist. Untersucht werden sollte, ob die Karbonprothesen, mit denen Pistorius an den Start geht, ein technisches Hilfsmittel darstellen, mit denen sich der Athlet einen wettbewerbsverzerrenden Vorteil verschafft. Solche sind nach den Regularien der IAAF nicht erlaubt. In der Tat hatte die Untersuchung ergeben, dass es auch die Prothesen sind, die Pistorius so schnell machen. Auch wegen der mechanischen Eigenschaften der geschwungenen Karbonprothesen ist er zu einem ernst zu nehmenden Kandidaten für die 4-x-400-Meter-Staffel seines Heimatlandes geworden. Seine Bestzeit über 400 Meter steht bei 46,34 Sekunden. Nur vier nichtbehinderte Läufer aus Deutschland waren im vergangenen Jahr schneller als Pistorius.

2007 hat die IAAF dem Südafrikaner zwei Mal erlaubt, gegen Nichtbehinderte anzutreten. Bei den Leichtathletik-Meetings in Rom und Sheffield durften die Zuschauer dem Sprinter mit den Gepardprothesen - der Hersteller nennt sie "Cheetah" - bewundern. Wer genau hingesehen hat, dem wird nicht verborgen geblieben sein, dass Pistorius im Gegensatz zu seinen Konkurrenten viel gleichmäßiger läuft. Auch Brüggemann ist dies aufgefallen. "Das sieht toll aus, irgendwie leicht", sagte er. Gewundert hat es ihn nicht. Denn seine Studie hat ergeben, dass die Prothese bei jedem Laufschritt 90 Prozent der Aufprallenergie wieder zurückgibt. Bei nichtbehinderten Läufern sind es dagegen nur 60 Prozent. Ein beträchtlicher Unterschied. Für die IAAF war diese Differenz ausschlaggebend. Sie hat Regel 144, 2 angewendet und Pistorius von regulären Wettbewerben ausgeschlossen.

Der Paragraf wurde erst im März vergangenen Jahres eingeführt, um der Leistungsmanipulation mittels technischer Hilfsmittel Einhalt zu gebieten. Das Schlagwort "Techno-Doping" machte die Runde. Ins Spiel gebracht hat es IAAF-Sprecher Nick Davies, für den Unterschenkelprothesen auch deshalb eine Wettbewerbsverzerrung darstellen, weil sie unverwundbar seien. Nichtbehinderte Sportler hätten mit Fußgelenkverletzungen oder Krämpfen zu kämpfen - im Gegensatz zu den Behinderten.

Für Pistorius ist eine derartige Argumentation nicht nachvollziehbar. Man dürfe keiner Organisation gestatten, "unsere Fähigkeit in Zweifel zu ziehen, Wettkämpfe mit genau jenen Hilfsmitteln zu bestreiten, ohne die wir nicht einmal gehen, geschweige denn sprinten könnten".

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2 Kommentare

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  • GO
    Günter O. Faßbender

    Bin über das Urteil sehr verärgert. Selbst linksseitig oberschenkelamputiert habe ich meine (HighTec-)Prothese immer als "Körperersatzstück" verstanden; so steht es ja auch in der Bundesprothesenordnung. D.h. mir fehlt etwas, was durch die Prothese ersetzt wird. Wenn aber nun die Prothese so gut wie das zu ersetzende Körperteil ist (ich glaube nicht, daß es besser ist, denn dem guten Pistorius fehlen ja immer noch die Unterschenkel!), dann jaulen die Nichtamputierten auf und reden von unfairen Vorteilen. Für die Anerkennung von uns Amputierten wäre ein anderes Urteil darum besser gewesen; wir hätten den "Zweibeinern" auf gleicher Augenhöhe begegnen können.

    Und mal abgesehen davon: Prothesen kann man sehen, insbesondere bei der Leichtathletik. Das Chemie- und Biodoping bleibt weitgehend verborgen. Also: lieber mit Prothesen die Zweibeiner hinter sich lassen, als mit Chemie im Körper auf der Strecke bleiben!

  • J
    Joachim

    Ich finde das schade, dass es nicht geklappt hat.

    Ich hoffe trotzdem, dass dem Behindertensport mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird.

     

    Stichwort "Techno-Doping":

    Wer im Glashaus sitz, sollte nicht mit Steinen werfen. Ich bin über das "Chemie-Doping" der Nicht-Behinderten, z. B. im Radsport, sehr verärgert.

    Der Behindertensport hat den Vorteil der Transparenz, weil jeder, auch der Laie, sehr offen sehen kann, welche Hilfsmittel verwandt werden.

    Das ist mir sympathischer als das Lügen und Betrügen mit Chemikalien oder dem Vortäuschen falscher Handicaps ("Astma" im Profi-Radsport), um eine Begründung für die Einnahme leistungssteigernder Präpärate zu bekommen.