US-Finanzkrise: Mehr als schwächelnde Hypotheken

18,1 Milliarden Dollar muss allein die größte US-Bank, die Citigroup, abschreiben. Die Finanzkrise könnte sich zu einer Rezession ausweiten.

In Bankenkreisen wird gerechnet, dass bis zu einem Drittel der weltweit 300.000 Citigroup-Mitarbeiter entlassen werden könnten Bild: dpa

Überstanden ist die US-Finanzkrise längst noch nicht. Dies bezeugen die Jahresabschlüsse der großen US-Banken, die in diesen Tagen veröffentlich werden. Während JP Morgan an diesem Mittwoch und Chase und Merrill Lynch tags darauf vor die Öffentlichkeit treten werden, machte die größte US-Bank, die Citigroup, am Dienstag den Anfang. Und deren Bilanz ist vernichtend. Auf 9,8 Milliarden US-Dollar stieg der Verlust der Citigroup allein im vierten Quartal 2007. Offiziellen Angaben zufolge hat die Bank im letzten Quartal 2007 rund 4.200 Jobs gestrichen. In Bankenkreisen wird gerechnet, dass bis zu einem Drittel der weltweit 300.000 Mitarbeiter entlassen werden könnten.

Die deutsche Wirtschaft ist 2007 zum zweiten Mal in Folge gewachsen. Wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte, stieg das Bruttoinlandsprodukt um 2,5 Prozent. Das ist deutlich mehr als im langjährigen Verlauf, aber weniger als die 2,9 im boomenden Vorjahr. Damit blieb Deutschland nur knapp hinter der Eurozone (2,6) zurück, aber deutlich hinter der EU (2,9).

Der anhaltende Aufschwung sorgte mit 39,7 Millionen Menschen für die höchste Zahl von Erwerbstätigen seit 1990. Während die Exporte und die Unternehmensinvestitionen deutlich stiegen, ging der private Konsum um 0,3 Prozent zurück. Der Grund für zurückhaltende Kauflust sei die trotz des Wachstums anhaltend schwache Entwicklung der Nettolöhne und der verfügbaren Einkommen der Haushalte, sagte der Präsident des Bundesamtes, Walter Radermacher. Für das laufende Jahr rechnet das Bundesamt mit "einer

Wie viele andere US-amerikanische Banken und manche europäische Banken hatte die Citigroup in hypothekenbesicherte Wertpapiere investiert. Dabei handelt es sich um die Darlehen, die US-Hypothekenbanken an ärmere Kunden vergeben und dann auf den Finanzmärkten weiterverkauft hatten. Weil immer mehr Amerikaner zahlungsunfähig geworden waren, hatten diese "Subprime"-Hypotheken die gegenwärtige Finanzkrise ausgelöst. Wertpapiere, die auf diesen Subprime-Hypotheken aufbauen, wurden dadurch praktisch wertlos und müssen abgeschrieben werden. Diese Erfahrung machten in Deutschland bereits die IKB-Bank und die sächsische Landesbank, was sie an den Rand des Abgrunds führte.

Die Citigroup beziffert ihre die Abschreibungen auf die gigantische Summe von 18,1 Milliarden Dollar. Merrill Lynch muss der New York Times zufolge womöglich 15 Milliarden Dollar abschreiben - doppelt so viel, wie die Bank bislang angenommen hatte. Banker gehen davon aus, dass den Banken weiteres Unheil droht. Vor allem europäische Banken haben sich hinsichtlich der nötigen Wertberichtigungen bislang sehr zurückhaltend gezeigt.

Wie sehr die US-Großbanken unter der Krise leiden, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass sie sich hilfesuchend an arabische oder ostasiatische Investmentfonds wenden, um ihren dringenden Kapitalbedarf zu decken (siehe unten). Damit sinkt die Fähigkeit der US-Banken, die Wirtschaft mit ausreichenden Krediten zu versorgen. Werden Kredite knapper und teurer, wird weniger investiert und auch weniger konsumiert. Und weil die US-Wirtschaft von Krediten abhängig ist, könnte das die Konjunktur abwürgen. Gerade erst sprach der als Finanzgenie verehrte ehemalige US-Notenbankchef Alan Greenspan im Wall Street Journal erneut von der Gefahr einer Rezession: "Die Symptome sind eindeutig da." Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Rezession kommt, schätzt er inzwischen auf mehr als 50 Prozent.

Vor allem die US-amerikanischen Privathaushalte haben sich, um ihren Konsum zu finanzieren, hemmungslos verschuldet. Eine durchschnittliche US-Familie hat Verbindlichkeiten aufgehäuft, die ihr verfügbares Einkommen um ein Drittel übersteigen. Den größten Teil der Schulden haben die Amerikaner auf ihre Häuser aufgenommen. In vielen Regionen des Landes fallen die Immobilienpreise aber inzwischen. Bis zu zwei Millionen Familien sind von einer Zwangsversteigerung bedroht, schätzt das Forschungsinstitut Center for Responsible Lending.

Allerings kriselt es nicht nur auf den Hypothekenmärkten. "Wenn dies eine reine Hypothekenkrise wäre, dann wäre sie längst vorbei", meint die Financial Times. Zur Überschuldung der US-Haushalte tragen neben den Hypotheken nämlich auch Kreditkarten bei. Der Kreditkartenmarkt ähnelt in seiner Größe dem Markt für "Subprime-Hypotheken". American Express klagte erst kürzlich, dass seine Kunden ihre Kreditkartenschulden immer öfter nicht begleichen könnten. Um sich auf Zahlungsausfälle vorzubereiten, nahmen mehrere Kreditkartenanbieter bereits hohe Rückstellungen vor.

Der Konsum auf Pump war bislang der wichtigste Konjunkturmotor in den USA. Und der kommt nun ins Stottern. Zu mehr als 70 Prozent hängt das Bruttoinlandsprodukt der USA vom privaten Verbrauch ab. Doch der lässt sich wegen der zunehmenden Überschuldung wohl nicht mehr in der bisherigen Höhe aufrechterhalten. Das enttäuschende Weihnachtsgeschäft war ein Vorbote der Kaufzurückhaltung der amerikanischen Verbraucher.

Auch sonst mehren sich die Zeichen der Schwäche. Die Schaffung neuer Arbeitsplätze lahmt, die Arbeitslosigkeit stieg im Dezember wieder auf fünf Prozent - einen solch hohen Anstieg gab es zuletzt vor zwei Jahren, als der Hurrikan Katrina New Orleans verwüstet hatte. "Der Arbeitsmarktbericht hat unseren Verdacht bestätigt, dass wir uns offiziell schon in einer Rezession befinden", meint David Rosenberg, der Chefökonom für Nordamerika bei Merrill Lynch.

Nun liegen die Hoffnungen auf der US-Notenbank Fed. Die hatte schon im vergangenen Sommer in Reaktion auf die Hypothekenkrise ihre Zinssätze gesenkt, um den US-Banken billigeres Geld zur Verfügung zu stellen. Das berichtet vorgestern Wall Street Journal berichtet, die Fed sei zu einer weiteren kräftigen Zinssenkung bereit, sollten sich die Konjunkturaussichten drastisch verschlechtern. Ob die Hiobsbotschaften der Großbanken bereits eine solche Verschlechterung darstellen, wird sich auf der nächsten Fed-Sitzung in zwei Wochen zeigen.

Deutschland schien bislang von den Turbulenzen wenig berührt. Doch wenn die US-Wirtschaft keinen Weg aus der Krise findet, wird dies nur eine Frage der Zeit sein, bis die deutsche Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen wird. Die Nachrichten aus den USA sorgten gestern an den europäischen Börsen für einen für Rückgang der Kurse. Verkauft wurden vor allem Finanzwerte.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.