Zum Anschlag auf Kabuler Luxushotel: Vermeidbarer Tod eines Journalisten

Nach dem Anschlag auf Norwegens Außenminister werden Versäumnisse bekannt: Sicherheitskräfte ließen den schwer verletzten Journalisten liegen.

Dagblatt-Reporter Carsten Thomassen starb bei dem Anschlag. Bild: reuters

STOCKHOLM taz "Ich werde immer damit leben müssen, dass ohne meine Reise Carsten noch am Leben wäre." Deutlich betroffen zeigte sich Norwegens Außenminister Jonas Gahr Støre, als er am Mittwoch die Redaktion der Osloer Tageszeitung Dagbladet besuchte. Dort sprach er den KollegInnen des am Montag in Kabul bei einem Attentat ums Leben gekommenen Redakteurs Carsten Thomassen sein Beileid aus: "Wir beim Außenministerium werden es uns nie verzeihen, dass sein Leben nicht zu retten war."

Einige Stunden später wurde Støre auf einer Pressekonferenz allerdings mit Informationen konfrontiert, die ernsthafte Zweifel an der Unvermeidbarkeit von Thomassens Tod aufwerfen - und im Gegenteil dazu führen könnten, dass der Außenminister selbst sich veranlasst sehen könnte, dafür die politische Verantwortung zu übernehmen und zurückzutreten. Unzureichende Sicherheitsvorkehrungen scheinen nämlich eine erhebliche Mitschuld an den Folgen des Anschlags auf das Hotel "Serena" gehabt zu haben.

Das beginnt bei der öffentlichen Information über Details der Reise auf der Internetseite des Außenministeriums, die seitens des norwegischen Verteidigungsministeriums schon vorab kritisiert worden war. Pressesprecher John Inge Øglænd vom Generalstab des norwegischen Militärs wurde hierzu mittlerweile deutlich: "Man wäre naiv, wenn man glaubte, die Taliban würden nicht die Debatte bei uns und unseren Alliierten genau verfolgen. Sie haben seit Jahren bewiesen, dass sie Aufklärung und Informationskriegsführung bestens beherrschen."

Das Militär hatte auch andere Bedenken, stellt sich nun heraus. Man bot der Delegation des Außenministers die ständige Begleitung durch ein gepanzertes Ambulanzfahrzeug an, was dankend abgelehnt wurde. Und man warnte vor der Unterbringung des Außenministers und der begleitenden Journalisten im Hotel "Serena". Das norwegische Militär selbst bringt eigene Besucherdelegationen in Kabul immer in ihrem Militärlager nahe dem Flughafen von Kabul unter und soll diese Möglichkeit auch Støre angeboten haben. Laut der Osloer Tageszeitung VG hatte es deutliche Hinweise auf eine Anschlagsgefahr gegeben. Die australische Botschaft hatte ihren Landsleuten empfohlen, das Hotel "Serena" ganz zu meiden.

Der Außenminister bestreitet solche Warnungen nicht, schiebt die Verantwortung für den "zivilen" Charakter seines Besuchs aber auf die afghanische Regierung: "Die Sicherheitsvorkehrungen waren keine norwegische Entscheidung." Doch auch dies ist offenbar nur die halbe Wahrheit. Den Minister lediglich von drei Sicherheitsbeamten begleiten zu lassen, bedeutete zwangsläufig, dass seine gesamte Begleitung, darunter die zehn Journalisten, auf sich allein gestellt waren.

Diese Entscheidung hatte nach dem Taliban-Anschlag auf das Hotel "Serena" für den verletzten Journalisten Carsten Thomassen auch direkte Folgen. Notdürftig von Journalistenkollegen versorgt, die ihm Erste Hilfe geleistet hatten, kümmerte sich eine Ambulanz des norwegischen Militärs, als sie endlich vor Ort war, nur um einen verletzten Außenamtsmitarbeiter. Während dieser in ein Krankenhaus gebracht wurde, wurde Thomassen am Tatort zurückgelassen, weil - nach Informationen von Dagbladet - die Sicherheitskräfte des Außenministeriums ihn "übersehen" hätten. Obwohl nur 11 Minuten Fahrtzeit vom Hotel entfernt, gelangte Thomassen erst eine Stunde und 54 Minuten nach dem Anschlag ins tschechische Feldlazarett am Flughafen von Kabul. Er starb auf dem Operationstisch.

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