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Kolumne MärchenUnterwegs mit Johnny

Wie es sich anfühlt, Hollywood-Diva Scarlett Johansson zu ersetzen? Es ist einfach nur grandios!

privat

Corinna Stegemann ist Wahrheits-Redakteurin der taz

Vor vielen, vielen Jahren, als Märchen noch die Wahrheit waren und das Wünschen noch geholfen hat, da wünschte sich eine Person, deren Name streng geheim ist und die wir deshalb Corinna S. nennen wollen, diese Person also wünschte sich nichts sehnlicher, als ein berühmter Filmstar zu sein und und das glanzvolle Leben der Schönen und Reichen zu führen.

Und kaum hatte Corinna S. das gewünscht, da brauste in einem goldglänzenden Mercedes Cabriolet kein Geringerer als Johnny Depp herbei, hielt direkt neben Corinna S., die gerade nach Buxtehude trampen wollte, am Straßenrand und bedeutete ihr, in das schöne Auto einzusteigen. Corinna S. war es total mulmig, aber es regnete Bindfäden. Also nahm sie Platz, schnallte sich an, und ab ging die Post. Sie brausten über die Autobahn, die Haare flatterten ihnen im Wind, und während links und rechts die Landschaft an ihnen vorbeischoss, kamen sie miteinander ins Gespräch.

Johnny - wie Corinna S. Johnny inzwischen liebevoll nannte - erzählte von Ruhm, Glanz und Glamour und von Geld. Von unfassbar viel Geld. Corinna S. war hingerissen von seinen tiefschwarzen Augen, die in Einsamkeit zu schwimmen schienen. "Ach, wie gern", so rief sie aus, "ach wie gern würde auch ich ein solches Leben führen!" - "Das sollte doch zu machen sein", antwortete Johnny Depp, "am besten, ich nehme dich gleich mit nach Hollywood und stelle dich dort ein paar Produzenten vor, der Rest läuft dann ganz von selbst." Corinna S. war sofort Feuer und Flamme. Eine Zahnbürste hatte sie dabei, und das Flugticket und die ersten schönen glitzernden Abendkleider kaufte ihr Johnny direkt am Flughafen.

"Auf nach Hollywood", jubelte Corinna S. beim Einsteigen in Johnnys Privatjet. Sie tranken kübelweise Champagner und waren ein glückliches, jung verliebtes Paar. In Amerika stiegen sie wieder aus, und da lag es, gleich einem glitzernden Diamanten: Hollywood! "Am besten", sagte Johnny, "wir fahren sofort zu meinem alten Freund Warner. Er ist einer der beiden berühmten Warner Brothers und soll dir eine Rolle geben."

Warner wohnte in einer prächtigen, alten Villa und begrüßte die beiden in glänzender Laune: "Johnny, mein kleiner Mops", rief er und wuschelte Johnny durch die Haare, dann sah er Corinna S. an und sprach: "Sie haben großes Talent, das erkenne ich auf einen Blick. Das ist es, was Hollywood sucht: junge, unverbrauchte Gesichter mit der Ausstrahlung unverdorbener Natürlichkeit. Und was für ein Zufall", und hier klatschte Warner vergnügt in die Hände, "was für ein Zufall, grad drehen wir eine gigantische Verfilmung über ein Erdbeben in Hollywood. Es wird die größte Produktion aller Zeiten. Leider hat sich unsere Hauptdarstellerin Scarlett Johansson bei einem hysterischen Anfall die Pulsadern aufgeschnitten und ist verblutet, hätten Sie nicht vielleicht Lust, einzuspringen?"

Klar hatte Corinna S. Lust. Die Verhandlungen über ihre Traumgage verliefen reibungslos, Warner bezahlte ihr eine Luxus-Suite mit Vollpension, und was sie nicht aufessen konnte, durfte sie sich einpacken. Der Film wurde der größte Erfolg der Filmgeschichte und bescherte Corinna S. mehrere Oscars und den endgültigen Status als Superstar. Auf der Oscar-Feier durchtanzte sie mit Johnny Depp die Nacht, und als der Morgen anbrach, setzten sie sich auf eine Marmorbank, um den Sonnenaufgang zu erwarten.

"Ich kann das alles noch gar nicht glauben", freute sich Corinna S., "das ist alles wie ein Traum." Johnny lachte scheppernd und schlug sich auf die Schenkel. "Tja, Babe", sagte er, "so ist das immer in Hollywood. Aber jetzt pack deine Sachen, unsere Wege müssen sich jetzt wieder trennen." Er hatte natürlich Recht, das sah Corinna S. ein. Also packte sie ihre Sachen, und sie flogen zurück nach Deutschland, wo Johnny Depp Corinna S. an derselben Autobahnraststätte wieder absetzte, an der er sie aufgegabelt hatte, und verschwand wieder aus ihrem Leben.

Corinna S. aber setzte ihren Weg nach Buxtehude fort, und wenn sie nicht dort ankam, dann trampt sie wohl noch heute.

Fragen zu Johnny? kolumne@taz.de Morgen: Dieter Baumann über LAUFEN

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