Never trust a Hippie

DUB-LEGENDE Der Londoner Adrian Sherwood hat mit seinem Label On-U Sound die Entwicklung des Dub maßgeblich beeinflusst, hat unter anderem mit Bim Sherman und Lee „Scratch“ Perry grandiose Platten aufgenommen. Heute mischt er im Hafenklang

Adrian Sherwood gilt in der Szene als der ungekrönte König der Delay-Effekte

VON KNUT HENKEL

Das große Porträt von King Tubby, Jamaikas Dub-Urgestein, hat Adrian Sherwood lange mit sich herumgeschleppt. Im alten On-U-Studio in London hatte es einen Ehrenplatz und auch im neuen Domizil, in Ramsgate an der Südküste Englands, hat das Bild des Mannes mit dem ernsten, respektgebietenden Antlitz sicher seinen Platz. Adrian Sherwood ist schließlich ein Mann mit Prinzipien und als solcher auch seinem Label, dem legendären On-U Sound, treu geblieben. Das war alles andere als leicht. Sherwood, der Bands wie Dub Syndicate, Strange Parcels oder African Head Charge herausbrachte, bekam zwar grandiose Kritiken – aber die Alben verkauften sich nicht gerade wie warme Semmeln. Das hat dem Virtuosen an den Reglern so manches harte Jahr beschert.

Selbst die Ersparnisse aus seinen unverwechselbaren Mixen für Pop-Größen wie Depeche Mode, Sinéad O’Connor oder Simply Red hielten nicht ewig. Ein paar harte Jahre hat der mittlerweile 52-jährige hinter sich. Und dem einst inspirierenden London musste Sherwood längst den Rücken drehen. Zu teuer, zu hip und zu gewalttätig ist ihm das Pflaster geworden und so hat er Reißaus genommen. Eine Entscheidung, die er mit seinem Kumpel Lee „Scratch“ Perry teilt, der das Schweizer Dorfleben dem Brimborium in Kingston vorzieht.

Die beiden schätzen sich, haben oft zusammengearbeitet und sich gegenseitig mit Mixen versorgt, denn Adrian Sherwood gilt in der Szene als der ungekrönte König der Delay-Effekte. Und natürlich finden sie sich auch auf dem neuesten Werk von Sherwood. „Survival & Resistance“ heißt das Album, mutet an wie ein Rückblick auf die letzten Jahre und klingt etwas ruhiger und introvertierter. Vielleicht eine Folge des Umzugs an die Südküste.

London ist jedoch die Stadt, die Sherwood geprägt hat. Hier ist er geboren, wuchs unter den Fittichen seines Soul und Brit-Pop liebenden Stiefvaters auf und entdeckte als halbwüchsiger Knirps von 13 Jahren den Reggae. Immigranten aus der Karibik lebten in der Nachbarschaft und mit 14 Jahren kaufte sich Adrian Sherwood seine erste Single: „You Don’t know“ von Bob Andy war seinen Wahl und fortan sollten Reggae und Dub den Takt im Leben von Adrian Sherwood vorgeben. Mit gerade 17 Jahren saß Sherwood schon am Mischpult bei Carib Gems und mischte die ersten Songs von Prince Far I.

Das Label hatte er mitbegründet, ein Jahr später die legendären The Slits produziert, bevor dann 1980 die Gründung von On-U Sound Records folgte. Das Label wurde zur zweiten Heimat von Musikern wie Prince Far I, Bim Sherman oder Skip McDonald. Doch mit Mark Stewart, Gary Clail oder Jah Wobble gab es auch immer Musiker im Sherwood-Orbit, die für andere Sounds standen, mit Funk, Punk, Blues experimentiert hatten und bei On-U Sound für andere Töne sorgten. Das rief die Aufmerksamkeit der Kritiker hervor, die Sherwood und seine Bands hochleben ließen.

Ein eigenes Album hat Sherwood in der Hochzeit seines Labels in den 80ern und 90ern nie veröffentlicht. Erst 2003 war es so weit, nicht auf dem eigenen Label, sondern bei Real World kam „Never trust a Hippy“ heraus. Das grandiose Album war so etwas wie die musikalische Widerauferstehung Sherwoods. Der Titel, ein Zitat von Sex Pistols-Punker John Lydon, war allerdings nicht ganz erst gemeint. „Die Hippies, die ich meine, sind Leute wie Bill Gates, die sagen, dass sie aus dieser Welt einen besseren Ort machen wollen. Das sind die Hippies, die niemand braucht“, erklärt Sherwood in einem Interview.

■ Sa, 2. 2., 23 Uhr, Hafenklang, Große Elbstraße 84