Heuschreckendebatte: Wolf will Kapital das Fürchten lehren
Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) will Subventionen an Unternehmen künftig an Beteiligungen und einen Sitz im Aufsichtsrat knüpfen. Kritiker bezweifeln allerdings, dass das praktikabel ist.
Mit seiner Forderung, Subventionen an Unternehmen an staatliche Beteiligungen zu knüpfen, hat Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) eine Diskussion über den Sinn von Wirtschaftsförderung ausgelöst. Während die Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin die Überlegungen als "realitätsfremd" kritisierte, fiel die Reaktion der Wirtschaftsfördergesellschaft Berlin Partner eher positiv aus.
In der Sendung "Klipp und klar" im RBB-Fernsehen hatte Wolf am Dienstagabend gesagt: "Wenn ein Land Subventionen gibt, soll es dafür für einen bestimmten Zeitraum einen Anteil am dem Unternehmen erwerben." Damit verbunden wäre dann ein Sitz im Aufsichtsrat und damit auch Einfluss auf das Unternehmen.
Für die Arbeitgeberseite erklärte die IHK am Mittwoch, es sei das Recht der Politik, zu diskutieren, wofür man Subventionen einsetze. Sprecher Holger Lunau zeigte sich aber skeptisch, ob Wolfs Vorschlag praktikabel ist. "Wie will man denn errechnen, wie viel Geld einen Aufsichtsratsposten bringt?" Ein solches Vorgehen, so Lunaus, sei kein "probates Mittel, um den Missbrauch von Förderung einzuschränken". Ausdrücklich wehrte sich Lunau gegen den Eindruck, im Fall des Handyherstellers Nokia in Bochum handele es sich um einen solchen Missbrauch. "Es gab Verträge, die hat Nokia eingehalten. So ist die Wirtschaft." Gleiches, so Lunau, gelte auch für die Firma Samsung, die 2005 ihr Werk in Oberschöneweide dichtgemacht hat.
Wie Nokia hatte auch Samsung öffentliche Gelder für die Ansiedlung auf dem ehemaligen AEG-Gelände bekommen. Der koreanische Hersteller von Bildschirmen musste sich dafür verpflichten, fünf Jahre in Oberschöneweide zu produzieren. Kurz nach Ablauf der Frist hatte das Unternehmen das Werk in Oberschöneweide geschlossen. 800 Arbeiter wurden entlassen.
Anders als die IHK reagiert die Wirtschaftsfördergesellschaft Berlin Partner grundsätzlich positiv auf den Vorstoß von Wolf. Sprecher Christoph Lang sagte, öffentliche Beteiligungen seien gang und gäbe. "In Adlershof hat das Land damit die Finanzierung von kleinen Technologieunternehmen gesichert." Generell, sagte Lang, gebe das Land aber nicht so viel Geld für Subventionen von Industriearbeitsplätzen aus wie etwa Nordrhein-Westfalen mit seiner Förderung. Darüber hinaus bemühe man sich, weniger die Unternehmen zu fördern, als in Bildung zu investieren. "Bei der Ansiedlung des Quelle-Callcenters hat Berlin zum Beispiel die Ausbildung von Mitarbeitern gefördert", so Lang.
Der Opposition ist das noch zu wenig. Die Wirtschaftsexpertin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Lisa Paus, hält Unternehmenssubventionen generell für fragwürdig. "Wir müssen in Köpfe statt in Beton investieren", fordert sie. Paus räumt allerdings ein, dass das vor allem auf Bundesebene diskutiert werden müsse. 50 Prozent seiner Fördermittel bekommt Berlin nämlich vom Bund, 10 bis 30 Prozent aus Brüssel. Wenn der Landesanteil aber nur 20 bis 40 Prozent betrage, so Paus, sei es problematisch, das Geld verfallen zu lassen.
Aus dem Hause des Wirtschaftssenators hieß es am Mittwoch, der Vorschlag müsse nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch bundesweit diskutiert werden. Dass sich Harald Wolf in die Debatte einmischt, wundert nicht. Schließlich hat Berlin nicht nur mit Samsung seinen "Fall Nokia" gehabt. Der Baumaschinenhersteller CNH hatte 2006 sogar angekündigt, vor Ablauf der Frist den Betrieb einzustellen und 500 Arbeitsplätze zu streichen.
Vom Land Berlin hatte CNH 70 Millionen Euro Fördermittel, unter anderem für die Baulandfreimachung, die Umsiedlung eines Ponyhofs und einen langfristig günstigen Pachtvertrag bekommen. Nach Protesten der Belegschaft und des Wirtschaftssenators erklärte sich CNH immerhin bereit, 30 Millionen Euro für Sozialpläne hinzublättern.
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