Griechischer Besuch in der Türkei: Karamanlis betritt türkisches Neuland

Erstmals seit fast 50 Jahren besucht ein griechischer Regierungschef die Türkei. Es geht darum, die Atmosphäre zwischen beiden Ländern zu verbessern.

Der türkische Präsident Abdullah Gül mit Griechenlands Costas Karamanlis. : dpa

ISTANBUL taz "Das Beste am Besuch des griechischen Ministerpräsidenten Costas Karamanlis in der Türkei", schrieb gestern ein Kolumnist, "ist, dass er überhaupt stattfindet". Tatsächlich ist der Staatsbesuch des griechischen Nachbarn schon deshalb ein Novum, weil der letzte bereits fast 50 Jahre zurückliegt. Auch der jetzige Abstecher von Karamanlis nach Ankara war mehrfach verschoben worden, weil dem Griechen der Besuch beim ungeliebten Nachbar zu riskant erschien.

"Eigentlich", so Mehmet Ali Birand in der türkischen Daily News, "ist Costas Karamanlis wohl auch hauptsächlich deshalb gekommen, weil er eine gute persönliche Beziehung zu seinem türkischen Kollegen Tayyip Erdogan hat - Karamanlis war, bevor er Regierungschef wurde, Trauzeuge bei der Hochzeit von Erdogans Tochter - und ihn nicht noch einmal enttäuschen wollte."

Es geht also hauptsächlich um die Verbesserung der Atmosphäre zwischen beiden Ländern. Ein großer politischer Durchbruch bei einer der vielen strittigen Fragen zwischen Griechenland und der Türkei wird von dem Besuch, der am Freitag endet, deshalb auch von niemandem erwartet.

Schon bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz am Ende des ersten Besuchstags hatten beide Regierungschefs die strittigen Punkte noch einmal benannt. Karamanlis möchte, dass über die Grenzziehung in der Ägäis der Europäische Gerichtshof in Den Haag entscheidet, Erdogan will lieber noch weiter darüber verhandeln, bevor er vor Gericht geht. Während von griechischer Seite die Wiedereröffnung der theologischen Hochschule für die griechisch-orthodoxe Kirche angemahnt wird, verweist Erdogan auf die Lage der Muslime in Nordgriechenland.

Dickster Brocken aber ist und bleibt Zypern. Seit die Griechen beim Referendum über den UNO-Plan zur Wiedervereinigung der Insel 2004 mit Nein gestimmt haben, gibt es keine Fortschritte mehr, und die zypriotischen Türken bleiben weiter isoliert. Die Blockade auf Zypern belastet die Beziehungen der Türkei zur EU erheblich. Bislang hoffte Erdogan vergeblich darauf, dass sich Karamanlis für einen Kompromiss auf der Insel stärker engagieren würde. Beide warten darauf, was bei den Präsidentschaftswahlen auf Zypern im kommenden Monat passiert. In der Türkei hofft man, dass der amtierende Präsident Tassos Papadopoulos abgewählt wird und ein Nachfolger den Weg für neue Verhandlungen freimacht.

Unterhalb dieser Ebene politisch strittiger Themen hat sich im griechisch-türkischen Verhältnis in den letzten Jahren jedoch einiges getan. Vor allem im wirtschaftlichen Bereich sind sich beide Länder nähergekommen. Griechische Banken haben sich in der Türkei eingekauft, die Türkei und Griechenland werden ihr Gaspipeline-Netz verbinden, und auch in der Ägäis haben sich auf regionaler Ebene zwischen dem türkischen Festland und den der Küste vorgelagerten griechischen Inseln viele neue Verbindungen aufgetan. Hier ist eher Brüssel ein Problem, weil die EU nicht zulässt, dass Türken vereinfachte Visa für einen kleinen Grenzverkehr bekommen.

Wie viel im türkisch-griechischen Nachbarschaftsverhältnis immer noch zu tun ist, zeigte eine große repräsentative Umfrage, die ein griechisches Institut im Vorfeld des Besuchs durchführte und die gestern in Hürriyet und der griechischen To Vima veröffentlicht wurde. Danach denken zwar 52 Prozent der Türken positiv über ihre Nachbarn, aber nur 8,5 Prozent der Griechen haben eine positive Meinung von den Türken.

Stattdessen glauben immer noch 75 Prozent der Griechen, dass die Türkei expansionistische Pläne gegenüber Griechenland hege, während nur 30 Prozent der Türken den Griechen Ähnliches unterstellen. Angesichts dieser Zahlen muss man Ali Birand zustimmen, wenn er schreibt, es ist für Karamanlis "immer noch ein mutiger Schritt, in die Türkei zu kommen".

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