Der Klang der Avantgarde

Neue Zugänge, neue Ziele, Erweiterung des künstlerischen Raums: Die „open systems 2005“, das Festival für aktuelle Musik, Performance und Klangkunst, startet in eine neue biennale Zukunft

VON PETER ORTMANN

Neue künstlerische Denkansätze haben es nicht leicht. Offene Systeme sind eigentlich keine mehr. Was unterscheidet Klangkunst von neuer Musik? „Das Festival „open systems“ entwirft das Bild einer lebendigen Musik der Gegenwart und stellt sie im Dialog und Kontrast vor“, sagt Karl-Heinz Blomann, der künstlerische Leiter.

Bereits zum sechsten Mal findet das Festival im Ruhrgebiet statt, ab 2005 nur noch im zweijährigen Turnus – ein Zugeständnis an die finanziell schwierigen Zeiten im Land, an die Komplexität des musikalischen Geländes, aber auch an die Geduld möglicher kommunaler Geldgeber. In das Programm der RuhrTriennale hat es dieses Festival seltsamerweise nie geschafft. „Wir haben nie gewusst, wie es weitergeht“, sagt Blomann. Europäische Förderung will er nicht. „Da müsste wir jemanden haben, der die endlosen Anträge ausfüllt“, lacht er ein wenig verzweifelt. Der neue Zwei-Jahre-Turnus sei jetzt aber ein guter Rhythmus. Der Saxophon-Spieler denkt auch in finanzieller Hinsicht in musikalischen Kategorien.

In diesem Jahr haben sich bereits vier Städte im Revier vernetzt, um ihren Bürgern aktuelle Musik, Performance und Klangkunst anzubieten. Die drei Benelux-Länder sind ebenfalls involviert, durch die Zusammenarbeit mit dem belgisch-niederländischen Festival für aktuelle Musik „November Music“, das fünf Konzerte des Programms mitgestaltet und der Luxemburger Gesellschaft für neue Musik (LGNM) soll die internationale Vernetzung der Künstler intensiviert werden. Das kann auch für die Bewerbung der Region als Europäische Kulturhauptstadt 2010 von Bedeutung sein. „Damit entsteht ein künstlerisches Kraftzentrum im Westen“, freut sich Jürgen Fischer vom Kulturhauptstadt-Bewerbungsbüro.

Höhepunkte der fünfzehn Konzerte sind Auftritte von Arto Lindsay, dem Adritti Quartett und The Hub, den Urvätern der Netzmusik. Dazu kommen Welturaufführungen von bisher unbekannten Werken des blinden amerikanischen Komponisten Louis Thomas Hardin (a.k.a. Moondog). Rhythmisch in der amerikanisch-indianischen Vergangenheit und harmonisch in der europäischen klassischen Musik verwurzelt, verarbeitete er die musikalischen Gegensätze zu einer neuen, aufregenden Einheit. Kurz vor seinem überraschenden Tod führte die Begegnung mit Wolfgang Sellner, Solo-Cellist bei den Bochumer Symphonikern, zu der Idee, Bracelli, ein Streichensemble, ins Leben zu rufen. Das ist eine von Moondog favorisierte Ensemble-Zusammensetzung für zwei Bratschen, zwei Celli, Kontrabass und Schlagzeug. Für diese Besetzung hat Moondog sein Leben lang kompositorisch gearbeitet. „Es ist leichter eine Radkappe zu promoten als Moondog“, sagt Blomann. Dennoch tut er es.

17. bis 20. November 2005Bochum, Dortmund, Essen, HerneInfos: 0201-45136313www.festival-open-systems.de