Libanon im Aufruhr: Opposition setzt auf Konfrontation

Mit den jüngsten Anschlägen will die Opposition den Kompromisskandidaten für das Präsidentenamt demontieren.

Trauerzug für ein Mitglied der Amal-Partei, das bei Demonstrationen zu Tode kam. Bild: dpa

BEIRUT taz Die Serie der Negativ-Schlagzeilen aus dem Libanon reißt nicht ab. Allein im Januar starben bei zwei Bombenanschlägen sowie bei gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den schiitischen Oppositionsparteien Amal und Hisbollah und der libanesischen Armee am vergangenen Wochenende mindestens 16 Menschen.

Seit der Ermordung des libanesischen Premiers Rafik Hariri im Februar 2005 häufen sich die Attentate. Seit zwei Monaten sind auch die Armee und die interne Sicherheitsbehörde ins Visier der Terroristen gerückt. Damit werden die Insitutionen angegriffen, die bislang als letzter Garant für Stabilität und Zusammenhalt im Libanon galten.

Denn der Libanon befindet sich seit über einem Jahr in der größten innenpolitischen Krise seit Ende des Bürgerkriegs 1990. Zwischen der prowestlichen Regierung und der prosyrisch, proiranisch geprägten Opposition tobt ein erbitterter Machtkampf. Die Opposition will das Vetorecht, die Parlamentsmehrheit lehnt dies jedoch ab, weil damit das demokratische System begraben würde.

Statt auf Verhandlungen setzt die Opposition auf Konfrontation: Zuerst besetzte sie die Innenstadt und somit das Touristen- und Wirtschaftszentrum Beiruts und rief zu einem Generalstreik auf, der in Gewalt ausartete. Wegen Nichterscheinens der Opposition ist das Parlament handlungsunfähig. Die Opposition blockiert ebenfalls die Wahl eines neuen Präsidenten.

Die Unruhen am Wochenende sind die Fortführung dieser Strategie. Unter dem Vorwand, gegen Stromausfälle zu protestieren, setzt die Oppostion den Machtkampf auf der Straße fort. Neues Ziel ist, den einzig möglichen Kompromisskandidaten für die Präsidentschaft zu demontieren. Michel Sleiman, General der libanesischen Armee, wird als Präsidentschaftskandidat von der Arabischen Liga und dem Westen unterstützt. Nach seinem erfolgreichen Kampf gegen Terroristen im Palästinenserlager Nahr al-Bared hat er auch in der libanesischen Bevölkerung breiten Rückhalt. Selbst die Opposition hatte ihm als Kandidaten zunächst zugestimmt. Doch den Syrern ist Sleiman zu unabhängig. Als Präsident könnte er den Libanon in die Stabilität zurückführen und die Hisbollah entwaffnen. Das will Syrien unter keinen Umständen. Deshalb hat Baschar al-Assad den Druck auf seine Verbündeten im Libanon verstärkt. Nachdem das Parlament nicht tagt und der Präsidentenstuhl vakant ist, sollen auch die letzten Institutionen eines unabhängigen Staates funktionsunfähig gemacht werden - die Armee und die Sicherheitsbehörde. Die Syrer wollen zeigen, dass der Libanon ohne ihre Präsenz im Chaos endet.

Schon am Folgetag der Unruhen griff die Opposition General Sleiman an und beschuldigte ihn, "Kriminelle" in der libanesischen Armee gegen die schiitische Opposition aufgehetzt zu haben. Der versprach jedoch eine schnelle und lückenlose Aufklärung der Ereignisse vom letzten Sonntag.

Wenn es der Opposition gelingt, Sleiman als Kandidaten zu demontieren, wird es im Libanon keinen Präsidenten geben. Das Machtvakuum würde sich vergrößern. Neue Anschläge auf die Sicherheitsinstitutionen würden diese schwächen. Das Land würde in einen bürgerkriegsähnlichen, gesetzlosen Zustand wie der Irak fallen. Sunniten und Schiiten würden sich bekriegen, der Konflikt sich auf die gesamte Region ausweiten.

Genau da liegt die einzige Hoffnung auf eine Lösung der

Libanonkrise: Dass die Angst vor einem regionalen Krieg zwischen Sunniten und Schiiten größer ist als der Nutzen, den ein Land wie Syrien aus einem instabilen Libanon zieht.

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