Der Zwergenmarsch

Nanotechnologie soll zukunftsweisend sein. Eine Diskussion über die Risiken findet bisher nicht statt

Pfeilschnell saust er durch die Kurven, immer im optimalen Abstand zur Mittellinie. Die Sonne bricht durch die Wolken, die Scheiben des Fonds verdunkeln sich. Plötzlich bremst das Gefährt ab und hält akkurat vor der geschlossenen Schranke des Bahnübergangs. Am Steuer sitzt kein Fahrer, ein Computer hat längst das Ruder übernommen.

„Praktisch wird es schon sehr bald möglich sein, das intelligente Auto in Serie zu produzieren“, sagt Michael Nikolaides. Der 31-Jährige ist Entwickler beim bayrischen Automobilhersteller BMW und hat die rasante Entwicklung der Nanotechnologie von Beginn an mitverfolgen können. „Komplizierte Mikroprozesse und Serienproduktion sind ein Widerspruch in sich. Noch.“ Wolfram Mörsdorf ist Vorstandsvorsitzender der Automotive Sparte beim Stahl-Riesen ThyssenKrupp und kümmert sich da um die „Zwergenforschung“. Immer kleiner, immer schneller – das Augenmerk der Unternehmen liegt auf der Nanotechnologie.

Dabei geht es um die Welt der allerkleinsten Dinge. Ein Nanometer ist der millionste Teil eines Millimeters. Der Durchmesser eines menschlichen Haares ist fünfzigtausendmal größer. Und trotzdem messen ihm die Experten aus Forschung und Entwicklung große Bedeutung zu. „Die Umweltbelastung durch herkömmliche Lacke zu minimieren ist nur einer der Vorteile alternativer Beschichtungen“, erklärt Nikolaides. Ginge es nach den Visionen des jungen Wissenschaftlers, gehörten Lackierungen schon bald der Vergangenheit an. Auch gefährlich lange Bremswege ließen sich auf ein Minimum reduzieren und leichtere Bauteile sparten Sprit.

Während die Automobilindustrie noch träumt, erobern längst „Nano-Sonnencremes“ den Markt. Zwar ist nachgewiesen, dass die Kleinstpartikel durch die Haut in die Blutbahn eindringen können, doch die Folgen wagt noch niemand abzuschätzen. Kritische Stimmen wie die des Bio-Mediziners Christoph Revermann warnen vor einer toxischen Wirkung und fordern eine ethische Diskussion, ähnlich der Debatte über die Genforschung. Mörsdorf von ThyssenKrupp dazu: „Eine Diskussion ist überflüssig, schließlich hat diese Technologie nichts Böses an sich.“ Bei BMW ist man hingegen vorsichtiger. „Noch laufen zahlreiche Studien. Sollte sich ein Verdacht erhärten, müssen wir uns aus der Forschung zurückziehen“, sagt Nikolaides.

Der Bund unterstützt diese Forschung mit 400 Millionen Euro. Beim Deutschen Patent- und Markenamt wurden 2002 51.000 Patente angemeldet, ein europäischer Spitzenwert. Der Zwergenmarsch geht in die nächste Runde. NICOLAS SCHWEERS
UND FELIX SUPPLIET