Justizminister Heinz Georg über Dreier: "Er hätte das besser nicht geschrieben"

Der rheinland-pfälzische SPD-Justizminister Heinz Georg Bamberger würde Horst Dreier immer noch zum Verfassungsrichter wählen, trotz seiner Haltung zur Folter.

SPD-Justizminister Heinz Georg Bamberger würde Dreier wählen. Bild: dpa

taz: Herr Bamberger, die SPD hat den Würzburger Rechtsprofessor Horst Dreier als Verfassungsrichter vorgeschlagen. Amnesty International wirft ihm eine Relativierung des Folterverbots vor. Halten Sie Dreier für wählbar?

Die SPD kämpft für den Würzburger Professor Horst Dreier als Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts. Nachdem die Union den Personalvorschlag der SPD letzte Woche telefonisch abgelehnt hat, wird es am Dienstag erstmals zu direkten Verhandlungen über Dreier kommen. Auf SPD-Seite werden vermutlich der Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen, Justizministerin Brigitte Zypries und Fraktionschef Peter Struck Platz nehmen. Die Unionsseite wird wahrscheinlich unter Leitung des Stuttgarter Ministerpräsidenten Günther Oettinger stehen. Eigentlich soll Dreier am 15. Februar im Bundesrat gewählt werden. Wegen eines Grundgesetzkommentars zur Folter ist der Rechtsgelehrte bei Menschenrechtlern aber umstritten. Sie werfen Dreier vor, das Folterverbot zu relativieren.

Die Union lehnt Dreier vor allem wegen seiner Positionen zur Embryonenforschung ab: Er relativiere den Embryonenschutz, das Folterverbot und den positiven Einfluss der Kirchen auf die Verfassungsordnung der Bundesrepublik. Die Christdemokraten wollen Dreier auch deswegen nicht wählen, weil er als Vizepräsident auch der wahrscheinlichste Nachfolger des Präsidenten des Verfassungsgerichts wäre. Die SPD glaubt, dass die Union Dreier nur blockiert, um ihre konservative Klientel zu befrieden. Diese sei über die von Kanzlerin Merkel geplante Ausweitung der Stammzellforschung irritiert. Sollten die Verhandlungen mit Oettinger scheitern, gehen SPD-Kreise davon aus, dass die Personalie Dreier in einem Spitzengespräch zwischen Merkel und SPD-Chef Kurt Beck geklärt werden muss. CHR

ZUR PERSON:

HEINZ GEORG BAMBERGER, 61, SPD, ist seit Mai 2006 Justizminister von Rheinland-Pfalz. Zuvor war er Präsident des Oberlandesgerichts Koblenz.

Heinz Georg Bamberger: Warum fragen Sie gerade mich?

Weil Rheinland-Pfalz im Bundesrat abstimmen darf und weil Sie letztes Jahr mit dem Dreier-Schüler Fabian Wittreck auf einem Podium in Mainz über die Zulässigkeit von Folter diskutiert haben

Ich habe dort klar gemacht, dass das Verbot der Folter absolut gilt. Der Staat darf nie und unter keinen Umständen eine Person seelisch und körperlich misshandeln, auch nicht in der - möglicherweise irrigen - Hoffnung, damit ein Verbrechensopfer retten zu können.

Gilt das für Sie heute noch?

Selbstverständlich. Wo Folter ist, ist kein Rechtsstaat. Die Menschenwürde ist nicht abwägbar. Schon über mögliche Ausnahmen vom Folterverbot zu diskutieren, halte ich für einen Fehler.

Noch einmal: Halten Sie Horst Dreier, der in seinem Grundgesetzkommentar das Folterverbot relativiert hat, für wählbar?

Ich halte ihn in der Gesamtabwägung für wählbar. Er ist ein hoch renommierter Wissenschaftler mit liberalen Ansichten. Ich lese auch diese umstrittene Passage in seinem Kommentar anders als Sie.

Inwiefern?

Dreier verweist hier auf eine ihm interessant erscheinende Überlegung seines Schülers Wittreck, der Eingriffe in die Menschenwürde eines Entführers im Sinne einer "rechtfertigenden Pflichtenkollision" für zulässig hält - wenn damit die Menschenwürde eines Opfers geschützt wird. Dieser Bezug war vielleicht nur eine Höflichkeit gegenüber seinem Mitarbeiter. Er macht sich das aber nicht wirklich zu eigen, sondern verweist damit eher auf das Problem, dass in tragischen Konstellationen auch Menschenwürde gegen Menschenwürde stehen kann. Ich sehe da keine klare Aussage von Dreier.

Dreier sagt, die Idee der "rechtfertigenden Pflichtenkollision" sei "nicht von vornherein auszuschließen". Und die herrschende Meinung, nach der die Menschenwürde nie abwägbar ist, hält er für "anfechtbar". Mit diesen Worten relativiert Dreier das Folterverbot, oder etwa nicht?

Es ist sicher an der Grenze. Aber es ist auch festzuhalten, dass Dreier eine Abwägung der Menschenwürde allenfalls mit der Menschenwürde anderer Personen für diskutabel hält. Er geht lange nicht so weit, wie die Professoren Brugger und Herdegen, die Folter auch zu anderen Zwecken zulassen wollen. Von diesen grenzt er sich sogar deutlich ab.

Andere sind also schlimmer. Ist das ein Argument für Sie?

Natürlich nicht. Ich will überhaupt nicht verteidigen, was Dreier in dieser Passage geschrieben hat. Es wäre sicher besser, er hätte das nicht geschrieben. Und ich könnte mir durchaus vorstellen, dass er in der nächsten Auflage seines Kommentars auf solche Überlegungen verzichten wird.

Die Union wirft ihm eher seine liberale Position in der Embryonenforschung vor. Zu Recht?

Nein, den Vorwurf kann ich nun gar nicht nachvollziehen. Dass der Embryo bis zur Einnistung in die Gebärmutter keine Menschenwürde hat, weil erst dann individuelles Leben entsteht, ist gut vertretbar. Bis dahin können aus der befruchteten Eizelle noch Zwillinge und Drillinge entstehen. Wenn der Embryo schon vorher Menschenwürde hätte, müsste im Übrigen auch die Spirale zur Schwangerschaftsverhütung verboten werden.

INTERVIEW: CHRISTIAN RATH

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