Eigentum wirkt jetzt befreiend

Neuer Wohnmarktreport

Der Volkssport des Umziehens stirbt aus

Früher war die Sache klar: Eigentum in größerem Stil lehnte man ab, eine eigene Wohnung wollte man sich wahrlich nicht ans Bein binden. Schon der Gedanke, einen Kredit aufzunehmen, löste körperliche Beklemmungen aus. Wozu diese Verpflichtungen? Man genoss die Freiheit des Besitzlosen. Man wohnte mal hier, mal da. Es hatte was Verwegenes, mit leichtem Gepäck durchs Leben zu gehen.

Doch dieses Gefühl ist der Ohnmacht gewichen. Wenn die Mieten explodieren, wird die Freiheit zur Unfreiheit. Der neue Wohnmarktreport, den die Immobiliengesellschaft GSW am Mittwoch vorstellte, belegt die Entwicklung mit beängstigenden Zahlen: Im Jahr 2012 stieg die Kaltmiete im Schnitt um 14 Prozent von 6,59 Euro pro Quadratmeter auf 7,50 Euro.

Ganz vorne dabei sind Charlottenburg-Wilmersdorf und Friedrichshain-Kreuzberg: Dort zahlten Wohnungssuchende im Schnitt knapp 9 Euro pro Quadratmeter. Im oberen Marktsegment verlangen die Vermieter in diesen Bezirken gar 15 Euro pro Quadratmeter.

Vor allem die Innenstadt ist von den drastischen Preisschüben betroffen. In Marzahn und Spandau stiegen die Mieten zwar auch, doch hier zahlt man im Schnitt immer noch weniger als 6 Euro pro Quadratmeter kalt. Wer kein Geld hat, muss an den Stadtrand ausweichen.

Die GSW-Zahlen beziehen sich auf neu abgeschlossene Mietverträge. Wer bleibt, wo er ist, muss häufig deutlich weniger berappen. Kein Wunder also, dass Umzüge –früher ein Berliner Volkssport – inzwischen eher zur Seltenheit geworden sind. Das hat man nun also davon: Als Mieter sitzt man fest. „Ich beiß mir heute in den Arsch, dass wir nicht schon vor zehn Jahren etwas gekauft haben“, sagt eine Frau Anfang 40. Einen Kredit abzustottern sei schließlich nicht wesentlich teurer, als die Miete zu bezahlen. Ist es schon zu spät, um noch schnell die Seite zu wechseln und einzusteigen in diesen verrückten Immobilienmarkt?

Jene, die früher abschätzig geguckt hätten, nicken eifrig mit den Köpfen. Das Wort Eigentumswohnung hat inzwischen einen süßen, befreienden Klang. Es verheißt nichts weniger als Selbstbestimmung.ANTJE LANG-LENDORFF