Wahlkampf-Auftakt in Italien: Angriff auf die Kleinparteien

Berlusconi und Linken-Chef Veltroni ordnen die zersplitterte Parteienlandschaft. Ohne Wahlreform. Berlusconis Triumph scheint nicht mehr so sicher.

Will Berlusconi in die Offensive drängen: Walter Veltroni. : reuters

ROM taz Zum Auftakt des Wahlkampfs zeichnet sich ab, dass Italien vor einem tiefen Umbruch seines zersplitterten Parteiensystems steht. Während im gerade aufgelösten Parlament mehr als zwei Dutzend politische Gruppierungen vertreten waren, könnten mit den für den 13. und 14. April angesetzten Neuwahlen am Ende womöglich nur je fünf bis sechs Fraktionen in Kammer und Senat übrig bleiben - viel für deutsche Verhältnisse, aber revolutionär wenig für Italien.

Staatspräsident Giorgio Napolitano und der mit der Bildung einer Übergangsregierung gescheiterte Senatspräsident Franco Marini hatten nach Romano Prodis Untergang das zweifelhafte Vergnügen, mit insgesamt 26 Delegationen der verschiedenen Parteien ihre Konsultationen führen zu müssen. Marini sollte eine Wahlreform durchsetzen.

Übergangsregierung und Wahlreform sind gescheitert - aber wie durch ein Wunder scheint das mit ihnen angestrebte Ziel jetzt ganz von allein einzutreten: Dank Walter Veltroni, der als Vorsitzender der Demokratischen Partei die Nachfolge Romano Prodis als Frontmann des gemäßigten Mitte-Links-Lagers antritt. Er erklärte kurzerhand Prodis breites, von Kommunisten zu Christdemokraten reichendes Bündnis, das 2006 hauchdünn die Wahlen gegen Berlusconi gewonnen hatte, für aufgelöst. Seine Demokratische Partei, so Veltroni, werde sich im April "alleine" zur Wahl stellen.

Am Samstag erhielt er für diesen Kurs die ungeteilte Zustimmung der "Konstituierenden Versammlung" der Demokraten. Mit einem Federstrich hat der bisherige Bürgermeister Roms so allen bisher alliierten Klein- und Mikroparteien den Stuhl vor die Tür gesetzt. Koalitionsgipfel mit über 40 Personen, die 13 Gruppierungen vertreten, will er einfach nicht mehr sehen, stattdessen sollen die Wähler für die Demokratische Partei optieren. Statt wie zuletzt 30 rechnet er sich 35 bis 40 Prozent aus.

Nur noch mit einem externen Allierten ging Veltroni ein Wahlbündnis ein: mit dem früheren Anti-Korruptions-Staatsanwalt Antonio Di Pietro, dessen Liste für vier Prozent gut ist und nach der Wahl der Parlamentsfraktion der Demokraten beitreten soll.

Sofort bekam Veltroni den Segen vom wichtigsten Politiker der radikalen Linken. Fausto Bertinotti, Frontmann der Rifondazione Comunista, freut sich geradezu darüber, nicht mehr an der Seite der Demokratischen Partei antreten zu müssen. Er geht davon aus, dass eine separate Kandidatur der Linken einerseits helfen wird, optimal ihr Wählerpotential auszuschöpfen. Andererseits ist ein Alleingang der radikal linken Kräfte nur denkbar, wenn die sich in einer Liste zusammenschließen: Linkssozialisten und Grüne könnten jeder für sich die Überschreitung der für solo antretende Parteien vorgesehenen Vier-Prozent-Hürde (die im Senat gar zu acht Prozent werden) nie packen. Im Mitte-Links-Lager werden damit dann wohl nur noch zwei Parlamentsfraktionen existieren.

Vor allem aber hoffte Veltroni, mit seinem Schritt Berlusconi in die Defensive zu drängen. Der schickte sich an, erneut nicht bloß mit seinen drei wichtigsten Partnern - der postfaschistischen Alleanza Nazionale, der rechtspopulistischen Lega Nord und der christdemokratischen UDC - zu kandidieren, sondern auch mit einer Fülle von Mini-Listen von rechtsextrem bis konservativ-katholisch, rechtsliberal oder auch sozialistisch. Doch dann zog Berlusconi die Konsequenz aus Veltronis Schachzug. Er gewann Gianfranco Fini zur Fusierunierung der postfaschistischen Alleanza Nazionale mit Forza Italia zur neuen Liste "Volk der Freiheit". Die bisher im Rechtsbündnis präsenten Kleinparteien dürfen sich dem neuen Geschöpf gern anschließen, können aber nicht mehr als separate Listen in der Allianz der Rechten kandidieren. Einzige Ausnahme: die Lega Nord, die als einzige externe Verbündete bleiben darf.

Vor vollendete Tatsachen wurde so vor allem Pierferdinando Casini von der für sieben Prozent guten christdemokratischen UDC gestellt. Er hätte gern weiter Berlusconi gepiesackt, wie schon während der Regierungszeit 2001-2006. Doch Berlusconi ließ ihm jetzt nur noch die Option der völligen Unterwerfung per Anschluss ans "Volk der Freiheit" - oder des Alleingangs. Casini gab nun am Samstag bekannt, seine UDC werde allein antreten. Damit werden Italiens Wahlen wieder spannend: Berlusconis Block liegt zwar auch ohne die UDC deutlich vorn - doch der Vorsprung erscheint nicht mehr uneinholbar.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.