Interview: "Wir sind ein offenes Haus"

In Kreuzberg gibt es seit einem Jahr Deutschlands erstes Pflegeheim für türkischstämmige Senioren. Dort sitzen Kurden, Aleviten und Sunniten an einem Tisch, sagt der Geschäftsführer Harald Berghoff. Interview

Der 42-Jährige ist seit Ende 2006 Geschäftsführer des Kreuzberger Pflegeheims "Türk Bakim Evi".

taz: Herr Berghoff, warum braucht man ein Altersheim speziell für türkische Senioren?

Harald Berghoff: Der Bau eines Pflegeheims für Senioren mit Migrationshintergrund war überfällig. Die älteren türkischen Senioren sprechen häufig kein Deutsch. Wenn es sie am Knie juckt und sie es körperlich nicht mehr ausdrücken können, können sie das nicht mal weitergeben. Aber es ist eine Grundvoraussetzung, dass die Bewohner sich dem Pflegepersonal verständlich machen können.

Sprechen denn alle Ihre Pflegekräfte Türkisch?

Alle Personen, die hier arbeiten - von der Reinigungskraft über die Altenpfleger bis zur Einrichtungsleitung - beherrschen Türkisch und Deutsch. Ich bin da die einzige Ausnahme.

Ihre Angestellten wurden in Deutschland ausgebildet?

Das ist richtig. Unsere Angestellten sind in Deutschland ausgebildete Altenpfleger und Krankenschwestern, die zweisprachig aufgewachsen sind.

Wie sind Sie eigentlich auf die Notwendigkeit eines türkischen Altersheims aufmerksam geworden?

Unser Haus gehört zu den Marseille-Kliniken, die Altersheime in Deutschland betreiben. Am Beispiel dortiger türkischer Bewohner ist uns klar geworden: Hier ist ein Bedarf. Deshalb haben wir das türkische Pflegeheim geplant und dann mit dem "Türk Bakim Evi", zu Deutsch "türkisches Pflegehaus", umgesetzt.

Solche Angestellte könnten doch einfach auch in einem deutschen Altersheim arbeiten.

Unser Angebot reicht ja viel weiter. Wir achten sehr dar- auf, dass sich unsere Bewoh- ner wohl fühlen. Das Essen ist zum Beispiel wichtig für die Senioren. Bei uns wird nach islamischen Regeln gekocht, den Bewohnern wird unter ande- rem kein Schweinefleisch serviert.

Sind islamische Feiertage auch ein Thema?

Selbstverständlich. Wir haben kürzlich das Opferfest zum Ramadan gefeiert. Dazu war auch ein Imam hier, der jeweils zu bestimmten Tagen in das Haus kommt. Wir haben auch einen Gebetsraum, der jederzeit benutzt werden kann. Das sind alles aber nur Angebote, niemand ist verpflichtet, daran teilzunehmen. Überhaupt sind wir ein offenes Haus. Wir haben keine beschränkten Öffnungszeiten. Besucher können kommen, wann sie möchten. Die Bewohner dürfen jederzeit nach Hause, wenn ihre Verwandten sie dazu einladen.

Wie ist denn die Resonanz bei den türkischen Senioren?

Am Wochenende zieht unser vierzigster Bewohner ein. Wir haben hier zwar noch viele freie Plätze, aber das langsame Ansteigen der Bewohnerzahlen wird von uns sogar gewünscht.

Was meinen Sie damit?

Wir beschäftigen uns mit der Biografie des Einzelnen, wir achten darauf, aus welchem Landesteil er kommt, und bringen diese Informationen in die Pflege ein. Bei uns sitzen Kurden, Aleviten und Sunniten an einem Tisch.

Wäre es für die Auslastung Ihres Hauses nicht sinnvoll, auch Deutsche einziehen zu lassen?

Wenn ein Deutscher hier gerne einziehen möchte, ist das kein Problem. Wir haben sogar eine deutsche Bewohnerin. Sie war 15 Jahre lang mit einem Türken verheiratet und ist zum Islam konvertiert.

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