berliner szenen Kollektiv psychoaktiv

Weiße Kaninchen

Dicke Scheinwerfer leuchten ins Foyer der Volksbühne. Wer zu früh kommt, liest die Zeitung, voll wird es nicht. Es ist ein Konzertabend für Unerschütterliche.

Die Vorband besteht aus sieben Männern und zwei Frauen. Suspekte Instrumente wie Akkordeon, Trompete und Sousaphon (so eine Minituba, beim Musikunterricht muss ich geschlafen haben) spielen einen Uffta-Rhythmus mit dem Charme einer Schul-AG. Eine Cellistin schüttelt ihr Haar. Wir flüchten in den Vorraum.

Dann die Psychohygiene: Animal Collective kommen auf die Bühne. Vier abgerissene Männer, die sich ekstatisch und krank hin- und herschaukeln. Der mit der kleinen Grubenleuchte auf dem Kopf und dem T-Shirt aus South Carolina muss Panda Bear sein. Der Sänger und Gitarrist trägt eine russische Feldmütze. Es folgen sechs schwingende Minuten auf einem Akkord, Feedbacks, Halleffekte kübelweise, Stimmverzerrungen, Gruselsounds. Schön stumpf, und alles ohne Bass-Drum. Den zappelnden Schlagzeuger haben sie noch rechtzeitig aus dem Park gefischt. Aus wildem Getrommel kann auch Kunst werden.

Neben uns nimmt man Grübelposen ein. Es gibt keine Videoprojektionen, die ablenken könnten, nur etwas Lichtspiel. Die erste Möglichkeit zum Applaus ergibt sich nach einer guten halben Stunde. Die Cellistin von vorhin sitzt nun im Publikum, wo sie weiter ihr Haar schüttelt. Frauen mit diamantblauen Augen und Männer mit der Aussicht auf Frühschicht verlassen nach und nach das Gebäude. Die Mehrheit bleibt sitzen und lässt sich ordentlich bedröhnen. Lärm, Rausch, Schamanentänze. Schließt man die Augen, hoppeln weiße Kaninchen herum. Fangen lassen sie sich nicht.

RENÉ HAMANN