Kommentar: Das Grünen-Herz schlägt links
Nach der Hamburg-Wahl reden alle wieder von der Möglichkeit schwarz-grüner Koalitionen. Eine realistische Option ist das allerdings nicht: In Berlin liegen die Parteien inhaltlich allerdings viel zu weit auseinander.
CDU und Grüne in Hamburg sollten nach Ansicht der Berliner Grünen-Spitze ein mögliches Bündnis ausloten. Sowohl Grünen-Chefin Irmgard Franke-Dressler als auch der Fraktionsvorsitzende Volker Ratzmann betonten gestern, entscheidend sei die Umsetzung grüner Inhalte. "Demokratische Parteien, die in der Lage sind, eine Regierung zu bilden, müssen miteinander reden", sagte Franke-Dressler. "Sonst sind sie nicht besser als die Linke, die nur antritt, um Opposition zu machen." Sie verwies auf ihre Erfahrungen als Fraktionsvorsitzende in Steglitz-Zehlendorf, wo ein schwarz-grünes Bündnis zusammenarbeitet. "Mit der CDU in Berlin auf Landesebene, da reicht meine Fantasie nicht aus", sagte Franke-Dressler. CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger hingegen kann sich eine mögliche schwarz-grüne Koalition nicht nur in Hamburg vorstellen. Dort gebe es die "reale Möglichkeit" zu testen, wie es in einem Bundesland geht, sagte Pflüger. DPA, DDP
Die Hamburg-Wahl macht erstmals eine schwarz-grüne Regierung auf Länderebene realistisch. Und schon liebäugelt in Berlin auch CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger erneut mit den Grünen. Doch selbst wenn SPD-Strahlemann Wowereit und die ihm hörige Linkspartei bei der Abgeordnetenhauswahl 2011 verlieren sollten und rechnerisch Schwarz-Grün möglich wäre - eine wirkliche Option wird es für Berlin auch dann nicht sein.
Zwar flirten auch führende Grüne immer wieder mit der CDU. Das bei den Grünen intern heftig kritisierte Spaghetti-Essen ihres Fraktionsvorsitzenden Volker Ratzmann mit Pflüger und FDP-Fraktionschef Martin Lindner vor einem Jahr war ein deutliches Zeichen. Letztlich wollte der grüne Obermann der SPD aber nur heftig eins auswischen. Wowereits Entscheidung nach der letzten Abgeordnetenhauswahl für die wesentlich fügsamere Linkspartei dürfte Ratzmann bis heute tief in den Knochen sitzen.
Und in Kernfragen wie dem Weiterbetrieb des Flughafens Tempelhof, der Migrationspolitik, dem Umgang mit Jugendgewalt und der inneren Sicherheit bleiben sich Grüne und CDU spinnefeind. Das wird auch im Jahr 2011 noch so sein.
Politologen entdecken zwar immer wieder große Übereinstimmungen der konservativen CDU-Wählerschaft mit der grün-bürgerlichen Klientel. Diese Beobachtung mag für einige Grüne in Steglitz-Zehlendorf oder die zugezogenen Realo-Grünen aus dem Schwabenland in den neuen Familienkiezen Pankows zutreffen. Ihre Stammklientel haben die Berliner Grünen aber im 68er-Milieu von Charlottenburg, den schwul-lesbischen Kiezen von Schöneberg und im alternativen Kreuzberg und Friedrichshain. Und überall dort schlägt das Herz der Basis immer noch links.
Leser*innenkommentare
Maximilian Noske
Gast
Felix Lee hat ein übersichtliches Weltbild, was die Grünen in Berlin betrifft. Da gibt es die autochthonen Grünen, die sind links. Und dann gibt es die Grünen aus Schwaben in Berlin, die sind rechts. Heimatforscher Lee hat ein Herz für die richtigen Berliner, also nicht für die grünen Migranten. Politologen mag er auch nicht, weil die Sachen sagen, die nicht in sein Weltbild passen. Deshalb macht der Journalist Lee auch Politik gegen die Spätzles-Grünen und für die grünen Urberliner und nimmt dabei gierig jedes Wörtchen altgrüner Kiezfürsten auf, um es via taz in der Welt zu verbreiten. Vielleicht täte Lee besser daran, nicht nur an der grünen Oberfläche zu kratzen, sondern tiefer zu bohren. Dann würde er vielleicht feststellen, dass die große Dichothomie nicht zwischen grünen Berlinern und Nichtberliner besteht, sondern dass es um ein Zerwürfnis zwischen in politischen Kategorien der 80er Jahre feststeckenden Grünen und aufgeschlossenen Grünen geht, die keine Lust mehr auf Grabenkriege vergangener Zeiten haben.