Telefonanlagen-Sparte als Ladenhüter: Räumungsverkauf bei Siemens
Siemens-Telefonanlagen für Unternehmenskommunikation werden durch Internettechnologien überflüssig. Gewerkschaftler bemängelt ein Innovationsdefizit des Konzerns.
BERLIN taz Die dunklen Wolken über der Siemens-Konzernsparte SEN, die fast 4.000 Jobs streichen will, gibt es nicht erst seit gestern. Bei Siemens Enterprise Networks, wie der Bereich vollständig heißt, brennt es schon seit längerem: Zuletzt wurden im August rund 600 von knapp 6.000 Jobs gestrichen. In den Büchern wird SEN mitsamt seinen Töchtern im In- und Ausland als eine "einzustellende Geschäftstätigkeit" geführt. Er soll verkauft werden. Allein: Niemand mag sie haben.
Mit dem Niedergang bei SEN setzt sich die Abwicklung des einst stolzen Siemens- Kommunikationsgeschäftes COM fort. Die Handyproduktion wurde an BenQ abgegeben - und von den Koreanern radikal gegen die Wand gefahren. Der Mobilfunknetzbereich wurde mit Nokia fusioniert, wo nun die Finnen den Ton angeben. Neben SEN ist nun nur noch der COM-Bereich SHC bei Siemens, in dem die einst sehr populären DECT-Telefone der Marke "Gigaset" hergestellt werden.
SEN erlebte einst glanzvolle Zeiten. Bis zu 30 Prozent des Konzernumsatzes machte die Sparte früher. Früher, das war zu einer Zeit, in der sich moderne Internettechnologien noch nicht auf breiter Front durchgesetzt hatten und Online-Netzausrüster wie Cisco die Unternehmenskommunikation nur zaghaft beackerten. Das hat sich radikal geändert. Wigand Cramer von der Berliner IG Metall, der Mitarbeiter des Siemens-Konzerns betreut, sieht ein Innovationsdefizit. Siemens sei stets zu spät in neue Bereiche eingetreten und habe Entwicklungen verschlafen. Das gelte für das Handygeschäft mit der BenQ-Katastrophe genauso wie für die Internettelefonie, die in vielen Unternehmen zu finden ist.
Allerdings ist Siemens nicht der einzige Telekom-Gigant, den den wendigeren Internet-Playern zum Opfer gefallen sind. Bei Alcatel Lucent rumort es ebenso wie bei Nortel Networks. Beide wurden zuletzt als mögliche Käufer für SEN in Betracht gezogen, doch schienen nie ernsthaft interessiert. Das ist verständlich: Niemand benötigt heute in einem Unternehmen mehr große Schaltschränke voller Telefonanlagen. Es reicht, ein wie ein gewöhnliches Telefon aussehendes Internet-Endgerät für den Sprachgebrauch ins Netzwerk einzustecken. BEN SCHWAN
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