Armut: Mit Hartz IV in die Oper

Der Senat will einen Berlin-Pass einführen, mit dem arme Menschen Ermäßigungen erhalten. Jeder vierte Berliner könnte davon profitieren. Die Messe und Hertha BSC wollen mitmachen.

Auch wer wenig Geld hat, kann in die Deutsche Oper gehen. Bild: AP

Wer arbeitslos ist, soll nicht im gesellschaftlichen Abseits landen: Der Senat will bis zum Sommer einen "Berlin-Pass" einführen, mit dem Hartz-IV-Empfänger Ermäßigungen erhalten. "Menschen mit geringen Einkommen drohen kulturell und sozial zu verarmen, wenn wir keine Freizeitangebote für sie schaffen", sagte Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linke) der taz. Die Karte soll bestehende Ermäßigungen wie das Kulturticket und das Sozialticket im öffentlichen Nahverkehr bündeln. Neue Angebote sollen hinzukommen. Unternehmen wie die Messe Berlin und Hertha BSC kündigten gegenüber der taz an, sich beteiligen zu wollen.

SPD und Linke hatten sich in den Koalitionsverhandlungen auf die Einführung eines solchen Ausweises verständigt. Heute diskutiert die Fraktion der Linken auf einer Klausur im brandenburgischen Templin über das Konzept. Am Dienstag bringt Knake-Werner die entsprechende Vorlage in den Senat ein.

Fast jeder vierte Berliner könnte laut Sozialverwaltung von den Vergünstigungen profitieren. Allein die Hartz-IV-Empfänger und ihre Familien kommen auf 580.000. Hinzugezählt werden Sozialhilfeempfänger, Asylbewerber und Rentner mit Grundsicherung - macht 800.000 Anspruchsberechtigte.

Bereits seit Mai 2005 gibt es in Berlin das Kulturticket: Arbeitslose können für drei Euro ins Theater oder in die Oper gehen. Allerdings nur, wenn Restkarten übrig sind. Rund 25.000 haben das Angebot seit der Einführung genutzt. Viel zu wenig, findet Knake-Werner. Mit dem Berlin-Pass wolle sie stärker für das Drei-Euro-Ticket werben.

Im Nahverkehr bekommen Hartz-IV-Empfänger die Monatskarte seit 2005 zum halben Preis. Auch an den Volkshochschulen und in Schwimmbädern erhalten Arbeitslose schon jetzt Ermäßigungen.

Um zusätzliche Angebote zu schaffen, werden derzeit Gespräche geführt, sagte Knake-Werner. Unter anderem mit der Messe Berlin: Das Unternehmen habe angekündigt, in größerem Umfang günstige Karten zur Grünen Woche auszugeben. Ein Messe-Sprecher sagte, die Details seien noch nicht geklärt. Er halte den Berlin-Pass aber im Prinzip für eine "gute Sache". Auch bei der Internationalen Tourismusbörse oder der Funkausstellung könnte es Ermäßigungen geben.

Auch der Sprecher von Hertha BSC, Hans-Georg Felder, sagte zur taz: "Wir sind uns unserer sozialen Verantwortung bewusst." Im Stadion gebe es noch genug Platz für Arbeitslose, die Hertha unterstützen. "Wenn uns jemand anspricht, werden wir uns sicherlich beteiligen." Selbst Vertreter der Clubszene zeigen sich aufgeschlossen: "Auch Hartz-IV-Empfänger sollen feiern können", sagte Sascha Disselkamp von der Club Commission, einer Vereinigung Berliner Diskotheken. Er werde das Thema bei der nächsten Mitgliederversammlung ansprechen. Disselkamp ist der Inhaber des Sage Club an der Heinrich-Heine-Straße. Für seinen Laden sagt er schon jetzt: "Wir machen da mit."

Mit dem Pass will Knake-Werner der Stigmatisierung von Arbeitslosen entgegenwirken. "Wenn Kinder einen Jobcenter-Bescheid vorweisen müssen, um von den Schulbuch-Kosten befreit zu werden, ist das schlecht." Auch der Name des Ausweises spiele dabei eine Rolle: Ursprünglich lautete der Arbeitstitel "Sozialpass". Weil das nach Bedürftigkeit klingt, spricht die Verwaltung inzwischen vom neutraleren "Berlin-Pass".

Bisher ist für zusätzliche Ermäßigungen im Landeshaushalt kein Geld vorgesehen. Die CDU kritisierte deshalb, die Sozialsenatorin verkaufe das Bestehende nur in neuem Gewand. Die sozialpolitische Sprecherin der SPD, Ülker Radziwill, erwidert: "Der Pass ist erst der Anfang. Im nächsten Doppelhaushalt werden wir das ausbauen."

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