Kommentar Turbo-Abitur: Mehr Ganztagsschulen benötigt

Wer das Abitur in acht Jahren durchpeitschen will, muss fairerweise echte Ganztagsschulen einrichten. Problem ist nur, dass das natürlich viel Geld kostet.

Die Einführung des Turbo-Abiturs hat zu einer absurden Situation geführt: Schon in der Unterstufe treiben sich die Schüler oft den ganzen Tag in der Schule herum. Doch Ganztagsschulen sind diese Gymnasien deshalb noch lange nicht. An vielen Orten gibt es noch nicht einmal Kantinen oder Aufenthaltsräume, sodass die Kinder sich in der Mittagspause in der Stadt mit Pizza und Burger versorgen müssen. Von Hausaufgabenhilfen oder gar einem Ganztagsschulkonzept, das seinen Namen verdient, ganz zu schweigen. Nur in den allerwenigsten Schulen wird die Unterrichtsbelastung gleichmäßig über den Tag verteilt. Mit dem achtjährigen Gymnasium wurde oft einfach die Schule in den Nachmittag hinein verlängert. Kein Wunder, dass der Ärger über die Reform so groß ist.

Wenn nun SPD-Politiker und Bildungsexperten fordern, neues Geld in die Hand zu nehmen, um die Ganztagsschulen weiter auszubauen, haben sie damit erst einmal recht - und das gilt nicht nur für die Gymnasien, sondern auch für andere Schulen. Doch dass am Ende viel passieren wird, darf bezweifelt werden. Die Kultusministerkonferenz hat dies mit ihrem Beschluss wieder einmal deutlich gemacht: Sie hält am vollen Stundenumfang bis zum Abitur fest - und vernachlässigt weitgehend die Tatsache, dass gleich viel Unterricht in kürzerer Zeit nur an Ganztagsschulen funktionieren kann. Wer will, der soll, wer nicht, der nicht, heißt es dort.

Doch die Ignoranz der Kultusminister hat auch finanzielle Gründe. Denn echte Ganztagsschulen, die über bloßen Unterricht am Nachmittag und eine Suppenküche hinausgehen, kosten Geld. Viel Geld. 30 Prozent mehr an Kosten als die alten Halbtagsschulen, sagen Experten. Nicht nur Mensen, Bibliotheken und Selbstlernräume müssen gebaut werden; mehr Lehrer müssen eingestellt werden, Hausaufgabenhilfen, Sozialpädagogen und Psychologen zur Betreuung, dazu Fachleute, die Theaterkurse oder Tai-Chi anbieten. An Schulen, die solche Wege gehen, können Schüler auch in acht Jahren das Abitur schaffen. Die Regel sind solche Schulen aber nicht - und werden es noch lange nicht werden.

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Jahrgang 1979. War bis 2013 in der taz zuständig für die Themen Rechtsextremismus, Terrorismus, Sicherheit und Datenschutz. Wechsel dann ins Investigativressort der Wochenzeitung „Die Zeit“.

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