Kommentar KFZ-Erfassung: Stichproben statt Massenerfassung

Das Karlsruher Urteil zur automatisierten Nummernschildfahndung ist wichtig, aber weniger radikal als frühere Datenschutzurteile.

Das Karlsruher Urteil zur automatisierten Nummernschildfahndung ist wichtig, aber weniger radikal als frühere Datenschutzurteile. Kritisiert wurde diesmal nicht die Praxis, sondern nur das Gesetz, das den Richtern zu uferlos und unbestimmt erschien. Die Hürden für eine Neuregelung sind aber relativ niedrig.

So ist es schon widersprüchlich, wenn Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier betont, es dürfe keine Ermittlungen "ins Blaue hinein" geben, dann aber stichprobenartige Kontrollen zulässt. Ist nicht jede Stichprobe eine punktuelle anlasslose Ermittlung ins Blaue hinein? Auch ein Vergleich mit den Urteilen zur Onlinedurchsuchung und Rasterfahndung macht deutlich, dass die Karlsruher Anforderungen diesmal relativ gering sind. In jenen Urteilen wurde eine konkrete Gefahr für hochrangige Rechtsgüter gefordert. Für die Nummernschildfahndung genügt schon die Suche nach kleineren Unregelmäßigkeiten bei der Kfz-Versicherung.

Im Wesentlichen hat das Verfassungsgericht ein ausführlicheres Gesetz gefordert, das den Bürgern mehr Transparenz verspricht. Sie sollen genau sehen, wann der Staat zu welchem Zweck am Wegesrand auf ihre Nummernschilder zugreifen kann. Und das Parlament wird so gezwungen, darüber Rechenschaft abzulegen, was es eigentlich beschließt und welche Tragweite der Abgleich von Nummernschildern mit dem gesamten "Fahndungsbestand" haben kann.

Leider führt diese Pflicht zu exakten Gesetzen auch dazu, dass diese für Nichtjuristen kaum noch lesbar sind. Außerdem muss bei jeder technisch-kriminalistischen Neuerung ein neues Gesetz gemacht werden. Auch diese rechtsstaatliche Genauigkeit kann bei den Bürgern zu einem Gefühl des ausufernden Überwachungsstaats führen. Vor allem, wenn jedes Gesetz nicht nur im Bund, sondern auch noch in 16 Ländern beschlossen wird.

Vielleicht zwingen die Bürger angesichts dieser Flut an Polizeigesetzen die Politik aber auch einmal zur Mäßigung. Nicht alles, was verfassungsrechtlich zulässig wäre, muss auch in der Praxis umgesetzt werden. CHRISTIAN RATH

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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