Parlamentswahlen im Iran: Reformer ausgesiebt
Tausende unliebsame Kandidaten wurden vor den Wahlen im Iran als Kandidaten aussortiert - weil sie als Reformer gelten. Trotzdem wird die Wahl Stimmungstest für Ahmadinedschad.
Am Ende blieben von 7.200 Kandidaten, die sich um die 290 Sitze im Parlament beworben hatten, lediglich 4.500 übrig. Die islamistisch orientierten Kontrollinstanzen sorgten im Vorfeld dafür, Unwägbarkeiten auszuschließen. Bei den morgigen Parlamentswahlen im Iran soll die absolute Mehrheit der Konservativen gesichert werden. Für die Auswahl ist das Innenministerium bzw. der Wächterrat verantwortlich, der "geeignete" Kandidaten anerkennt. Die meisten der fast 3.000 abgelehnten Bewerber gehören zu den Reformern. Etwa Morteza Hadji, Ahmad Khorram und Ali Sufi - alle ehemalige Minister unter Chatami. Damit sind die Reformer in vielen Wahlbezirken nicht vertreten. Ein Sieg der Konservativen ist gesichert.
Die Aufgaben: Der Wächterrat, besteht aus insgesamt zwölf Mitgliedern und hatte ursprünglich einmal die Aufgabe, die Übereinstimmung der vom Parlament verabschiedeten Gesetze mit den Grundsätzen des Islam zu prüfen. Somit bedurfte jedes Gesetz seiner Zustimmung.
Seine Macht: Inzwischen hat seine Bedeutung noch erheblich zugenommen. Denn heute kann der Wächterrat auf die Wahl des Parlaments sowie die des Präsidenten direkt Einfluss nehmen, indem er befugt ist, jeden Bewerber zu überprüfen und ihn als "ungeeignet" zurückzuweisen.
Die Zusammensetzung: Die Hälfte der Mitglieder des Wächterrats wird vom Revolutionsführer ernannt, die sechs anderen werden vom Justizchef dem Parlament vorgeschlagen. Aber auch der Justizchef wird vom Revolutionsführer ernannt. Somit ist der Wächterrat praktisch der verlängerte Arm des Revolutionsführers.
Hinzu kommt, dass das Parlament im Machtgefüge des islamischen Gottesstaats ohnehin nichts Entscheidendes ausrichten kann. Denn jeder Beschluss des Parlaments bedarf der Zustimmung des Wächterrats. Und sollte das Parlament auf seinem Willen beharren, was noch nicht vorgekommen ist, kann der mit fast unbegrenzter Macht ausgestattete Revolutionsführer per Dekret einschreiten und jedes Gesetz außer Kraft setzen, notfalls auch das Parlament auflösen. Selbst als die Reformer während der Ära Chatami vier Jahre lang (2000-2004) die Mehrheit im Parlament hielten, konnten sie kein einziges Gesetz, das auf grundlegende Reformen abzielte, durchzubringen.
Angesichts dieser Umstände herrscht in weiten Teilen der Bevölkerung Gleichgültigkeit gegenüber den Wahlen. Selbst Oppositionelle fragen sich zunehmend, ob es sinnvoll ist, an den Wahlen teilzunehmen. Für den säkularen Teil der iranischen Gesellschaft, dem der Zugang zum Parlament und höheren Staatsämtern verwehrt wird, stand die Antwort von vornherein fest. Aber selbst im islamischen Lager, namentlich bei den Reformern, vertritt eine Minderheit die Meinung, die Teilnahme an den Wahlen, die in Wirklichkeit Scheinwahlen seien, werde nur die bestehenden Machtverhältnisse legitimieren. Daher sollte man sich passiv verhalten und abwarten, bis die Radikalislamisten sich selbst ins Verderben stürzen.
Die Mehrheit der Reformer hat sich jedoch zur Wahlteilnahme entschlossen, allerdings nur in Wahlbezirken, in denen ihre Kandidaten zugelassen wurden. Die Entscheidung wird damit begründet, dass die Wahlen, obwohl es Manipulationen gibt, ein wichtiges Instrument der Demokratisierung und Liberalisierung der Gesellschaft darstellten, das man nicht aus der Hand geben dürfe. Der ehemalige Präsident Mohammad Chatami, unter dessen Schirmherrschaft sich im Dezember 21 Parteien der Reformer zu einer Koalition zusammengeschlossen hatten, erklärte: "Wir müssen den Plan, die Reformer auszuschließen, vereiteln."
Ursprünglich hatten die katastrophale Wirtschaftspolitik und die gefährliche Außenpolitik der Radikalislamisten um Präsident Ahmadinedschad einige moderate Konservative dazu bewogen, mit den Reformern eine Front zu bilden. Symbolisiert wurde die Allianz durch die beiden ehemaligen Präsidenten Chatami und Haschemi Rafsandschani sowie den ehemaligen Parlamentspräsidenten Mehdi Karrubi. Doch der Pakt hielt nicht allzu lange. Rafsandschani und seine Anhänger gingen immer mehr auf Distanz, und Karrubi griff sogar die Reformer an und warf ihnen zur Freude der Islamisten vor, die Niederlage bei den letzten Wahlen durch ihre Maximalforderungen und Boykottaufrufen selbst herbeigeführt zu haben.
So stehen sich bei den Wahlen am Freitag auf Seiten der Reformer zwei Gruppen gegenüber, die Koalition Reformistischer Gruppen um Chatami und die Gruppe um Karrubi, die sich als "Nationales Vertrauen" bezeichnet. Wie viele Sitze die beiden Gruppen insgesamt erobern können, hängt in erster Linie von der Wahlbeteiligung ab. Je mehr der rund 40 Millionen Wahlberechtigten sich beteiligen werden, desto größer ist die Chance dieser Gruppen, ins Parlament einzuziehen. Doch selbst bei größtem Erfolg werden die Reformer unter keinen Umständen mehr als 30 Prozent der Mandate erringen und damit kaum etwas ausrichten können.
Was die Wahl dennoch interessant macht, ist die Frage, wie das Ergebnis für das Lager der Konservativen ausfällt. Denn auch hier herrscht keine Einigkeit. Grund der immer heftiger geführten Auseinandersetzung in diesem Lager ist nicht die enorme Zunahme der Repressionen und Einschränkungen, sondern die Außen- und Wirtschaftspolitik der Radikalislamisten, die bei großen Wirtschaftsunternehmen - im Öl- und Gasgeschäft, in der Außenwirtschaft und auf dem Binnenmarkt - zu großer Unzufriedenheit geführt haben. Ihre politischen Vertreter haben sich in der Umfassende Koalition der Prinzipientreuen zusammengeschlossen. Geführt wird die Koalition von Ali Laridschani und Mohammad Bagher Ghalibaf. Laridjani war vor wenigen Monaten wegen Meinungsverschiedenheiten mit Ahmadinedschad von seinem Amt als Chef-Atomunterhändler zurückgetreten. Ghalibaf ist Bürgermeister von Teheran. Beide waren bei der Präsidentenwahl 2005 Ahmadinedschad unterlegen.
Dieser Koalition stehen die Radikalislamisten um Ahmadinedschad gegenüber. Sie streben die Rückkehr zu den Idealen der islamischen Revolution und eine Verschärfung der Konfrontation mit dem Westen an, weil sie der Meinung sind, dass sie nur durch die permanente Krise ihre Macht behaupten können. Sie treten unter der Bezeichnung "Vereinigte Front der Prinzipientreuen" auf. Ihr Spitzenkandidat ist der amtierende Parlamentspräsident Gholamali Haddad Adel.
Welche dieser Gruppen im Lager der Konservativen den Sieg davontragen wird, ist nicht allein für den Kurs des künftigen Parlaments von Bedeutung, sondern auch für die Wahl des Präsidenten im nächsten Jahr. Denn die Wahl gilt auch als Test für die Popularität Ahmadinedschads. Sowohl Ghalibaf als auch Laridjani werden sich höchstwahrscheinlich als Konkurrenten des amtierenden Präsidenten zur Wahl stellen.
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