Kommentar Proteste in Tibet: Hoffnung auf den Tod

Die zeitliche Nähe zu den Olympischen Spielen ermutigt die Tibeter ihren Unmut öffentlich zu machen. Für die chinesische Führung sind die Proteste ein Albtraum.

Offenbar hat Peking die Unzufriedenheit der Tibeter genauso unterschätzt wie das Risiko der Olympischen Spiele für das eigene Image. Das gewaltsame Vorgehen Chinas gegen buddhistische Mönche ist unvereinbar mit den olympischen Idealen, auf die sich auch Chinas KP in diesem Jahr so gern beruft. Statt eines Massenspektakels unter dem harmonischen Motto "Eine Welt, ein Traum" mit hohem Propagandawert droht jetzt die Zuschaustellung der hässlichen Seite des Regimes.

Seit Montag demonstrieren in Tibet trotz Repression täglich mehrere hundert Mönche. Zudem gab es Proteste von Tibetern in Nepal und Indien, die wegen Drucks aus Peking abgewürgt wurden. In Lhasa sind die Proteste inzwischen gewaltsam eskaliert. Ob sie von Chinas Autoritäten demnächst gänzlich und vor allem geräusch- und bilderlos unterdrückt werden können oder ob sie es schaffen, zu einem weltweit beachteten Konflikt zu werden, ist derzeit offen. In letzterem Fall würden Chinas Menschenrechtsverletzungen und die Unterdrückung der Tibeter international auf die Tagesordnung gesetzt. So kurz vor den Olympischen Spielen im August in Peking wäre das für Chinas Führung ein Albtraum. Umgekehrt macht die zeitliche Nähe zu den Spielen den Tibetern Mut, ihre Unzufriedenheit trotz Repression zu äußern.

Warum also redet die KP nicht mit dem Dalai Lama, immerhin vertritt er durchaus gemäßigte Positionen? Weil Peking zunächst einmal darauf setzt, dass der heute 72-Jährige bald stirbt. Das Problem sich sozusagen auf natürliche Weise löst. China könnte dann, wie schon beim Pantschen Lama, eine politisch genehme Wiedergeburt installieren, um so Tibets aufmüpfige Buddhisten ohne Zugeständnisse in den Griff zu kriegen. Außerdem hat die KP gegenüber den berechtigten Anliegen der Tibeter bislang kein - aus ihrer Sicht - substanzielles Angebot entwickelt. Doch mit dieser Blockadehaltung stärkt China vor allem die radikalen Kräfte unter den Tibetern. Ihnen ist der Dalai Lama ohnehin zu versöhnlich. Weitere Proteste vor und nach den Olympischen Spielen dürften die Folge sein.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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