Entwicklungsexpertin Imme Scholz: "Waldschutz darf kein Schlupfloch sein"

Trotz politischer Versprechen wird der Amazonasregenwald weiter abgeholzt. Um das zu ändern, muss der Schutz der Wälder finanziell vergütet werden, fordert Imme Scholz

Bald weg: der Regenwald. Bild: dpa

Frau Scholz, Brasiliens Präsident Lula hatte den Schutz des amazonischen Regenwalds zur Chefsache erklärt. Jetzt werfen Umweltschützer ihm Versagen vor. Was ist da los?

Imme Scholz: Die politischen Strategien in Brasilien sind widersprüchlich: Das Umweltministerium setzt sich stark für den Regenwaldschutz ein. Das Agrarministerium setzt auf die Förderung der landwirtschaftlichen Exportproduktion in Großbetrieben. Dieses ökonomische Entwicklungsmodell passt einfach nicht zum Umweltschutz.

Landbesitzer in Amazonien dürfen laut Gesetz nur 20 Prozent ihrer Fläche roden. Warum kriegt man den illegalen Baumschlag nicht in Griff?

Weil sich Abholzung lohnt. Nicht nur Rinderzucht, sondern auch Sojaanbau ist durch neue Maschinen und technische Verfahren mittlerweile möglich in Amazonien. Und so ist den Landwirten schwer zu vermitteln, 80 Prozent ihrer Fläche landwirtschaftlich nicht zu nutzen.

Dabei ist es dank Satellitentechnik doch einfach, die Rodungen zu kontrollieren.

Technische Umsetzbarkeit ist nicht mit politischer Machbarkeit gleichzusetzen. Aber die Technik eröffnet natürlich Chancen: Greenpeace hat sechs Konzerne, darunter Blairo Maggi, den größten privaten Soja-Farmer weltweit, für das Soja-Moratorium gewinnen können. Die Vereinbarung: Kein Ankauf von Soja aus illegal neu gerodeten Flächen in Amazonien.

Der amazonische Regenwald geht in Zeiten von Klimawandel alle an. Wie kann internationale Politik den Wald schützen?

In der UN-Konvention über Biologische Vielfalt (CBD), die ja im Mai in Bonn weiter verhandelt wird, geht es auch um Urwaldschutz. Deutschland wird ein Modell vorschlagen, in dem die Entwicklungsländer ihre geplanten Schutzgebiete anmelden und die Industrieländer mit unterstützender Finanzierung einsteigen. Damit hier nicht nur Brosamen verteilt werden, muss auch die Bundesregierung substanzielle Mittel dafür einsetzen.

Warum wird der Waldschutz nicht in den internationalen Klimaverträgen geregelt, die den CO2-Ausstoß begrenzen?

Man befürchtete Schlupflöcher für Industrieländer. Investitionen in den Waldschutz sind billiger, als die Umstrukturierung der Energiewirtschaft der Industrieländer voranzubringen. Die begründete Angst: Die Industrieländer kaufen sich frei, indem sie anderswo den Wald stehen lassen, aber zu Hause qualmen die Kohlekraftwerke weiter. Das kennt man ja vom CDM …

… dem "Clean Development Mechanism", der es Industrieländern erlaubt, ihre eigenen Emissionen mit Einsparmaßnahmen in Entwicklungsländern zu verrechnen. Was empfehlen Sie?

Es ist sinnvoll, den Waldschutz ab 2012 in den internationalen Kohlenstoffhandel zu integrieren - aber nur unter bestimmten Voraussetzungen: Die Industrieländer müssen ihre Verpflichtungen zur Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen deutlich erhöhen. Gleichzeitig sollten sie aber nur einen Teil ihrer Verpflichtungen, beispielsweise 10 Prozent, über den Waldschutz abdecken können.

Und welche Verantwortung tragen die Waldländer?

Die müssen sich selbst dazu verpflichten, die Entwaldung auf ihrem Territorium zu verringern. Sonst wird an der einen Stelle mit internationaler Unterstützung der Wald geschützt, anderswo aber straflos abgeholzt.

INTERVIEW: EVA BERENDSEN

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.