Fürst Hans Adam II. beleidigt: Liechtenstein fühlt sich verfolgt

Wegen der Steueraffäre diskutieren Liechtensteiner, was Wirtschaftsethik ist. Derweil zeigt sich der Fürst verärgert - und will seine Bilder deutschen Museen nicht mehr leihen.

Karten statt Bilder? : dpa

VADUZ taz Erstmals seit dem Auffliegen der Steueraffäre befasste sich in der vergangenen Woche der Liechtensteiner Landtag mit der Krise. Während die beiden großen Parteien von einer "modernen Hexenverfolgung" und einer Bedrohung für den Wohlstand sprachen, wie sie das Land seit dem Zweiten Weltkrieg nie mehr erlebt habe, stellte die linke Opposition die Frage, ob Steuerhinterziehung wirklich nur ein Kavaliersdelikt darstelle.

Das Fürstenhaus und Liechtensteins Justiz haben jetzt auf ihre Weise auf die Affäre reagiert: Fürst Hans Adam II. wird vorläufig keine Bilder mehr aus seiner Sammlung an deutsche Museen ausleihen. Und die Landespolizei hat den mutmaßlichen Datendieb, den Liechtensteiner Heinrich Kieber, weltweit zur Verhaftung ausgeschrieben.

"Das sind Reaktionen eines Landes, das sich vollständig im Recht fühlt", sagt Ulrich Thielemann, Vizedirektor am Institut für Wirtschaftsethik an der Universität St. Gallen. Der 47-jährige deutsche Wirtschaftswissenschafter lebt seit bald 20 Jahren in der Schweiz und hat sich in der Vergangenheit immer wieder mit Fragen zum Thema Bankgeheimnis und Ethik auseinandergesetzt.

Im aktuellen Fall um die Steueroase Liechtenstein hat der Ethiker eine klare Meinung: "Liechtenstein beruft sich als souveräner Staat auf sein Steuersystem, verletzt aber damit das elementarste aller Besteuerungsprinzipien, das Wohnsitzprinzip." Es gebe keinerlei ethische Rechtsgrundlage, wenn sich eine Steueroase das Recht herausnehme, Ausländer mit keiner Verbindung zum Land von der Besteuerung zu befreien.

Im Bericht "Futuro" zur Reform des Finanzplatzes, den das Fürstentum am gleichen Tag vorstellte, als der deutsche Post-Chef Zumwinkel in Haft genommen wurde, schreibt die Regierung, dass "die Rechtmäßigkeit von Eingriffen in die Privatsphäre oder das Eigentum" vom rechtlichen Sitz der betroffenen Privatperson unabhängig sei. Gemeint ist der "Schutz" von Personen, die in anderen Staaten wohnen und daher dort steuerpflichtig sind, vor "unberechtigten Ansprüchen Dritter", sprich: den rechtmäßigen Steuerbehörden.

"Das ist eine äußerst aggressive Formulierung, die an extremistisch-libertäre Gesellschaftskonzepte gemahnt", sagt Thielemann. Der Staat Liechtenstein agiere wie ein "gewinnmaximierendes Unternehmen", dem allerdings im Gegensatz zum Unternehmen in der Wirtschaft ein paar besondere Methoden zur Verfügung stünden: Er kann Recht setzen und als souveräner Rechtsstaat agieren.

So geschlossen das Liechtensteiner Volk seit Wochen "seinen" Finanzplatz verteidigt, es gibt auch Stimmen, die den Sinn dieser Politik in Frage stellen. Markus Kellenberger beispielsweise, der katholische Pfarrer von Vaduz, warnt vor falschen Göttern und einem Tanz um das "goldene Kalb". Im Gottesdienst hat er mit den Politikern Klartext gesprochen: "Wenn wir anfangen, das Geld anzubeten, werden die Banken zu Priestern und die Treuhänder zu ihren Ministranten."

Selbst der langjährige Regierungschef Mario Frick, der heute als Rechtsanwalt und Verwaltungsrat tätig ist, hält es für moralisch nicht vertretbar, "wenn Liechtenstein sein Bankkundengeheimnis und die ganzen Rechtsstrukturen dazu aufgebaut hätte, um die Steuerhinterziehung zu fördern". Das hat es nach Ansicht von Frick natürlich nicht. Das Bankkundengeheimnis und das liberale Gesellschaftssystem seien nicht eingeführt worden, um Deutschland zu "ärgern", sondern weil Liechtenstein und andere Staaten der Privatsphäre auch in Steuerfragen mehr Bedeutung zumessen würden als etwa Deutschland.

Das Bankgeheimnis der Liechtensteiner bleibt selbst ein Geheimnis: Als der Finanzplatz Liechtenstein vor acht Jahren erstmals für Negativschlagzeilen sorgte, gab die Regierung in Vaduz dem Institut für Wirtschaftsethik an der Universität St. Gallen den Auftrag für eine Studie. "Die liechtensteinische Steuerpolitik - ein wirtschaftsethisches Argumentarium".

Der Inhalt fand jedoch keinen Gefallen beim Auftraggeber und wurde nie veröffentlicht. Das Finanzressort brachte "erhebliche Bedenken" gegen das Gutachten vor, weil das Bankkundengeheimnis darin "oberflächlich und fast ausschließlich im Kontext der Steuerhinterziehung" behandelt worden sei, erklärte Mario Frick damals als Regierungschef vor dem Landtag.

Die amtierende Regierung von Otmar Hasler teilt diese Ansicht noch immer - und hält die Studie trotz mehrerer parlamentarischer Anfragen bis heute unter Verschluss.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.