Musikindustrie will Anteil an iPod-Erfolg: Musik als Beilage

Wer künftig iPod oder Handy kauft, soll gegen Aufpreis uneingeschränkten Zugriff auf Musikbörsen wie iTunes erhalten. Nach Nokia entwickelt nun wohl auch Apple solche Pläne.

Für 80 Dollar mehr: Handy mit Musik-Beilage : nokia

In Zukunft könnte der Kauf eines iPod oder iPhones um einiges teurer werden, weil mit dem Gerät womöglich auch gleich der Zugriff auf die gesamte "iTunes"-Musikbibliothek von Apple erworben wird. Entsprechende Verhandlungen laufen derzeit zwischen dem Computerkonzern und großen Plattenfirmen, berichtet die "Financial Times" unter Berufung auf informierte Kreise. Musikfirmen sollten so vom Endgeräteverkauf profitieren können, während der Hersteller ein neues Marketingargument erhält - schließlich zeigt die Kurve verkaufter MP3-Spieler laut Marktforschern inzwischen nach unten. Das Modell ähnelt einer im Dezember vom Handy-Hersteller Nokia vorgestellten Idee namens "Comes with Music", bei der man ebenfalls gegen Aufpreis Zugriff auf eine große Musikbibliothek erhält. Apple wollte den "Financial Times"-Bericht nicht kommentieren, äußert sich zu neuen Produktplänen aber sowieso niemals im Vorfeld.

Sollte sich der Bericht bewahrheiten, würde er einen Strategiewechsel signalisieren - Apple hatte sich in den vergangenen Jahren zu dem Thema ganz anders verhalten. Einst lehnte der Konzern es vollständig ab, am 2006 aufkommenden Modell der "Mietmusik" teilzunehmen, bei dem man gegen Zahlung einer Monatsgebühr von bis zu 15 Euro von Anbietern wie Napster 2.0, Rhapsody oder Microsoft (Zune) uneingeschränkten Zugriff auf deren Musikbibliothek erhielt. Stellte man die Subskription ein, verschwand allerdings auch gleich die heruntergeladene Musik vom Player - für die gebeutelte Plattenindustrie also zumindest theoretisch eine gute Möglichkeit, ihre Umsätze langfristig zu sichern, weil man die Nutzer an sich bindet. Man glaube daran, dass die Kunden ihre Musiksammlung besitzen wollten, kommentierte Apple-Chef Steve Jobs damals. Nur das Modell der bezahlten Downloads sichere dies.

Inzwischen wurde diese strenge "Pay to own"-Prämisse (zahlen, um zu besitzen)zumindest im Filmbereich aufgebrochen: Seit Januar bietet Apple Hollywood-Streifen in den USA ab 3 Dollar für 24 Stunden zur Miete an - von Jobs allerdings nicht ohne den Kommentar eingeführt, die meisten Nutzer schauten Filme ja nur ein oder zwei Mal, so dass sich das Videothekenmodell als sinnvoll erwiesen habe und auch im Internet funktionieren könne. Die Medienkonzerne reagierten jedenfalls positiv: Während man Apple zuvor teilweise die Zusammenarbeit bei bezahlten Film-Downloads verweigert hatte, nehmen seither alle großen Studios am iTunes-Laden teil. Europäische Versionen dieses Modells sind angekündigt, dürften aber noch eine Weile auf sich warten lassen, da zumeist für jedes Land einzeln verhandelt werden muss.

Die Reaktionen auf das neue Musikvertriebs-Modell sind seitens der Produzenten durchaus positiv: Das Label Universal arbeitet bereits mit Nokias "Comes With Music" als Hauptlieferant zusammen und arbeitet schon seit längerem an neuen Ideen, vom klassischen CD- und Download-Verkauf wegzukommen. Am Mittwoch wurde außerdem bekannt, dass auch Universal-Konkurrent EMI mitziehen möchte und bereits verhandelt - damit wären von den Top-4-Labels immerhin zwei mit an Bord. Sony BMG und Warner Music verfolgen ebenfalls "neuartige Strategien", wie es aus Insiderkreisen heißt, genaueres ist aber nicht bekannt.

Welche Firmen Apple mit im Boot hat, ist noch unklar. Im herkömmlichen iTunes-Laden sind inzwischen alle großen Anbieter und nahezu jedes wichtige Independent-Label vertreten. Selbst wenn die Plattenfirmen immer mal wieder Bauchschmerzen über Apples Marktdominanz äußern, ist der Computerkonzern in den USA doch inzwischen längst hinter Wal-Mart zum zweitgrößten Musikvertreiber avanciert, Downloads und CD-Verkäufe eingeschlossen. Auch in Europa steht man in vielen Ländern an der Spitze.

Es bleibt abzuwarten, wie solche Musikbeilagen-Dienste praktisch abgewickelt werden. Bei "Comes with Music" sind die herunterladbaren Songs nur im ersten Jahr nach dem Handy-Kauf kostenlos, danach sollen sie aber im Besitz des Kunden bleiben dürfen, was das Angebot von den bekannten Mietmusik-Modellen unterscheidet. Allerdings setzt auch Nokia nach wie vor auf digitales Rechtemanagement, das viele Labels inzwischen reduzieren, weil es die Kompatibilität einschränkt - so laufen "Comes with Music" Songs beispielsweise nicht auf iPod oder dem Zune. Interessant ist auch die geschäftliche Seite.

Laut "Financial Times" bezahlt Nokia bis zu 80 Dollar pro Handy an die Musikfirmen, um den Dienst anbieten zu können. So viel wolle Apple aber nicht zahlen, man spreche eher über 20 Dollar. Wie hoch dann der Aufpreis für den Endkunden ist, lässt sich noch nicht sagen, Experten munkeln aber von 100 Dollar beziehungsweise 7 bis 8 Dollar pro Monat. Klar ist allerdings eins: Musik könnte für den Nutzer weiter an Wert verlieren, wenn er ständig vollständigen Zugriff auf eine derart große Bibliothek hat. Doch das Geschäft der Musikfirmen ist derart im Keller, dass sie sich an einen solchen Strohhalm zu klammern scheinen.

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