Parlamentswahlen in Taiwan: Pekings langer Arm

Bei den Parlamentswahlen fehlen der Opposition klare Themen. Die Unruhen in Tibet kommen da gerade recht. Doch die Unabhängigkeit Taiwans ist ein Unwort.

Anhänger von Präsidentschaftskandidat Ma Ying-Jeou.

PEKING taz Für Frank Hsieh, der heute zum Präsidenten der 23 Millionen Taiwaner gewählt werden will, sind die Unruhen im fernen Tibet ein Geschenk des Himmels. Kein Tag vergeht seit dem Beginn der Auseinandersetzungen dort, ohne dass der 61-jährige Politiker bei seinen Wahlkampfauftritten an das Schicksal der Tibeter erinnerte, die unter der Herrschaft der Kommunistischen Partei Pekings stehen. Falls sein Rivale Ma Ying-jeou ans Ruder kommen sollte, werde sich die Insel in "ein zweites Tibet" verwandeln, warnte er kürzlich. "Wir werden keinen Weg finden, die chinesischen Panzer aufzuhalten, wenn erst das Friedensabkommen unterzeichnet ist, das Ma vorgeschlagen hat."

Das ist eine böse Unterstellung und höchst unwahrscheinlich. Aber die Angst vor dem mächtigen Nachbarn China ist die einzige Waffe, über die der Kandidat der Demokratischen Fortschrittspartei noch verfügt.

Bis vor kurzem wurde Hsieh, der auf eine lange Karriere als Rechtsanwalt, Parteimann, Bürgermeister der Hafenmetropole Kaoshiung und Premierminister zurückblicken kann, keine Chance auf das höchste Amt des Staates eingeräumt: Seine Partei, die sich einst eine saubere und unabhängige Politik auf die Fahne geschrieben hatte, ist zutiefst zerstritten und längst nicht mehr frei von Korruption. Seit den Parlamentswahlen im Januar ist das sogenannte grüne Lager, also seine Koalition mit der kleinen Taiwan Solidarity Union, auf ein Drittel der Abgeordneten zusammengeschrumpft.

Keine Hilfe war dem Kandidaten Hsieh in den letzten Monaten sein Parteikollege, Noch-Präsident Chen Shui-bian, der seit dem Jahr 2000 amtiert. Ihm wird vorgeworfen, er habe China unnötig provoziert, in dem er immer wieder von einem unabhängigen Taiwan sprach, statt sich für die Konkurrenzfähigkeit der taiwanischen Unternehmen einzusetzen.

So kommt es, dass Hsiehs großer Konkurrent, der 57-jährige Ma, bislang in allen Umfragen als sicherer Sieger der Wahlen am Samstag galt. Ma ist ebenfalls Rechtsanwalt und war Bürgermeister der Hauptstadt Taipei. Er tritt für die Nationalpartei Kuomintang an, die vier Jahrzehnte lang diktatorisch und mit Militärgesetzen in Taiwan regierte, in den Achtzigerjahren aber eine Opposition zuließ und seit Januar eine üppige Zweidrittelmehrheit im Parlament innehat.

Der von Peking favorisierte Ma will für entspanntere Beziehungen zum Festland sorgen, lehnt eine formale "Unabhängigkeitserklärung" Taiwans ab und spricht lieber von einem "Friedensabkommen" mit Peking. In den Mittelpunkt seines Wahlkampfes hat er die Wirtschaftspolitik gestellt und eine bessere Unterstützung der vielen taiwanischen Firmen versprochen, die inzwischen auf dem Festland Fabriken errichtet haben.

Etwa 100 Milliarden Dollar sollen Taiwans Unternehmer inzwischen in der Volksrepublik investiert haben. Ma will dafür sorgen, dass die Manager, Touristen und Händler künftig direkt mit dem Flugzeug von Taiwan aus in die Industriestädte des Festlands fliegen können, ohne wie bisher den Umweg über Hongkong oder Macao nehmen zu müssen. Direktflüge gibt es seit dem Ende des Bürgerkriegs 1949 nicht mehr.

Eine politische "Wiedervereinigung" mit China, wie es die ersten Generationen der Kuomintang-Politiker forderte, will aber auch Ma nicht mehr anstreben - jedenfalls nicht, solange das Festland kommunistisch regiert wird. Ungewöhnlich scharf reagierte er auf die Behauptung des chinesischen Regierungschefs Wen Jiabao in dieser Woche, das Schicksal der Insel werde von "den Menschen auf beiden Seiten der Taiwanstraße" bestimmt, die das Festland von der Insel trennt.

Um keinen Verdacht aufkommen zu lassen, in der Tasche Pekings zu stecken, forderte Ma die chinesische Regierung auf, "die Repression in Tibet unverzüglich zu beenden".

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