Die Grauen lösen sich auf: "Für die Rente sind wir noch zu jung"

Die einstige Seniorenpartei "Die Grauen" hat sich aufgelöst. In Berlin, wo sie in mehreren Bezirksparlamenten vertreten war, hat Norbert Raeder jetzt "Die Grauen - Generationspartei" gegründet.

Knapp zwei Jahrzehnte nach ihrer Gründung hat die in einen Spendenskandal verwickelte Seniorenpartei Die Grauen ihre Auflösung beschlossen. In einer Urabstimmung hätten rund 84 Prozent der teilnehmenden Parteimitglieder für die Selbstauflösung votiert, teilte der stellvertretende Bundesvorsitzende Manfred Albrecht am Dienstag in Wuppertal mit. Die Mitgliederbefragung bestätigte damit einen Parteitagsbeschluss von Anfang des Monats. Die Bundestagsverwaltung fordert 8,5 Millionen Euro zurück, weil sich die Partei mit fingierten Spendenquittungen staatliche Fördermittel erschlichen haben soll; die Staatsanwaltschaft Wuppertal ermittelt gegen ein früheres Vorstandsmitglied. Derzeit hat die 1989 gegründete Partei noch etwa 1.500 zahlende Mitglieder.

taz: Herr Raeder, Ihre Partei "Die Grauen" hat nach dem Spendenskandal die Auflösung beschlossen. Sie haben unter dem Namen "Die Grauen - Generationspartei" eine neue gegründet. Warum?

Norbert Raeder: Der Parteitag hatte wegen der hohen Finanzforderungen nach den Spendenvorwürfen für die Auflösung gestimmt. Wir haben aber gesagt: Wir brauchen in Berlin eine politische Zukunft. Wir sind alle engagiert und noch nicht in einem Alter, in dem man in Rente gehen müsste. Wir wollen definitiv weitermachen, weil wir - wie alle Landesverbände - mit dem Spendenbetrug nichts zu tun haben. Somit hat der gesamte Landesvorstand beschlossen, unsere Arbeit auch fortzusetzen, wenn sich die Partei auflöst. Nach dem Beschluss haben wir also sofort eine neue gegründet.

Das geht so einfach?

Beim Patentamt hatten wir das schon relativ frühzeitig angemeldet. Nach dem Parteitag haben wir "Die Grauen - Generationspartei" beim Bundeswahlleiter registrieren lassen. Wir haben schließlich einige Mandatsträger aus den Bezirksversammlungen, die sich nicht anderen Parteien anschließen wollten. Auch ich habe gesagt: Ich gehe nicht zur CDU, zur SPD oder zu den Grünen.

Da gab es Angebote?

Logischerweise kamen die Angebote aus allen Ecken. Aber das macht man nicht. Trotzdem freut mich das Interesse, dass da jemand offenbar unsere Strukturen übernehmen will.

"Die Grauen" sitzen in Reinickendorf mit vier Abgeordneten in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) und hatten bei den Wahlen 2006 in ganz Berlin 3,8 Prozent geholt.

Wir sind in Berlin mit 20 Mandaten vertreten. Zwölf Abgeordnete werden auch in der neuen Partei mitmachen. Es gibt einige, mit denen wollen wir gar nicht weitermachen. Andere sagen vielleicht: Auf den Raeder hab ich keine Lust.

Warum wollen Sie auf Abgeordnete verzichten?

Ich möchte das gar nicht öffentlich machen. Wir saßen vor den Wahlen zusammen und haben gesagt: Passt auf, wir wollen ehrlich sein, wir wollen wirklich mal was Neues schaffen. Wir haben rumgefragt: Hat irgendjemand etwas zu beichten? Mal einen Radiergummi geklaut? Sagt es jetzt! Ich bin in den Wahlkampf gegangen mit diesem Schild "100 Prozent Ehrlichkeit". Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass nicht alle so ehrlich waren, wie sie versprochen hatten. Ich möchte wirklich etwas verändern. Auch wenn es nur im Kleinen ist. Das geht mit bestimmten Leuten nicht. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Und wie geht es jetzt weiter?

Chaotisch.

Sie haben Ihren Rücktritt bei den alten "Grauen" erklärt.

Wir bemühen uns um einen wahnsinnig ordentlichen Übergang. Es muss klar sein, dass da zwei unterschiedliche Sachen laufen. Bisher haben wir etwa 240 neue Mitglieder. Die meisten aus Berlin, einige kommen auch aus Mecklenburg-Vorpommern, andere aus Brandenburg. Zunächst müssen die sich alle das neue Programm ansehen und entscheiden, ob sie mitmachen.

Was hat sich im Programm geändert?

Zunächst mal haben wir dafür gesorgt, dass ein Spendenskandal, wie er mit der alten Grauen-Bewegung passiert ist, völlig ausgeschlossen wird. Was uns jetzt gerade um die Ohren geschossen wird, kann es nach der neuen Satzung nicht mehr geben. Wir haben für den Bundesvorstand festgelegt, dass öffentliche Spenderlisten geführt werden müssen. Darüber werden wir wahrscheinlich im Internet informieren. Wie ist der Spendenstand, wie steht es um die Finanzen im Allgemeinen? Ich denke, das ist im Moment einmalig. Jeder Bürger soll sehen können: Was macht diese Partei?

Das ist eine Lehre aus dem Skandal?

Auf jeden Fall. Obwohl ich weiter dabei bleibe: Was da verbreitet wird, sind reine Spekulationen.

Aber die Staatsanwaltschaft sagt doch: die Strafzahlungen könnten sich eher erhöhen!

Gut. Und was wäre, wenn ich jetzt mit dem Anwalt der Partei käme und sagte: Stimmt nicht, es ist alles megasauber. Dafür leben wir doch in einem Rechtsstaat. Dass die Staatsanwaltschaft zu Ende ermittelt und dann ein Gericht sagt: Freispruch oder Schuld. Ich habe mit der Sache jedenfalls nichts zu tun. Ich habe den Parteivorsitz ja erst später übernommen. Ich bin also quasi ein Außenstehender und kann nicht sagen, ob einer beschissen hat oder nicht.

Nun behaupten offenbar Leute aus dem Bundesvorstand, Sie hätten für die Neugründung Geld der alten Partei veruntreut.

Das ist jetzt eine Schlammschlacht innerhalb unserer Reihen. Jeder Mensch, der vernünftig denken kann, weiß: Es kostet dich einen Kugelschreiber und ein Blatt Papier, eine Partei zu gründen. Wofür sollte man da Geld brauchen? Außerdem verfügt die alte Partei über ihr Geld ja nicht mehr selbst. Das ging also nicht mal theoretisch. Was die anderen da quatschen, das interessiert mich gar nicht mehr.

Was sind denn Ihre konkreten politischen Pläne für die Zukunft?

Die Grauen werden in einer der nächsten Sitzungen einen Antrag einbringen für kostenloses Schulessen. Wir wollen außerdem in den Bezirken einen Seniorentag einführen, an dem etwa Heime besichtigt werden.

Der Einzug ins Berliner Abgeordnetenhaus ist mit der Neugründung in weite Ferne gerückt?

Nein. Wir haben noch dreieinhalb Jahre Zeit, uns in den Bezirken weiterhin als Lehrlinge zu beweisen. Das machen wir. Und wenn wir in dieser Zeit noch ein bisschen mehr gelernt haben, wollen wir auch ins Abgeordnetenhaus.

Manche kritisieren Sie, weil Sie als Wirt angeblich auch Ihre eigenen Interessen vertreten. Wenn Sie beispielsweise andere Öffnungszeiten für öffentliche Toiletten in der Nähe Ihrer Kneipe fordern.

Die CDU hatte für den Schäfersee eine neue, ordentliche Toilette versprochen. Im Sommer wird die alte dort allerdings immer noch um 22 Uhr abgeschlossen. Die ganzen Spaziergänger müssen also entweder in den See oder gegen einen Baum pinkeln. Deshalb haben wir gesagt: Die Toilette muss a. sauber sein und b. im Sommer länger offen haben. Mit dem "Kastanienwäldchen" hat das nichts zu tun.

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