Kommentar China: Betonköpfe zu Bambussprossen

Chinas Rückfall in scharfe Anti-Tibet-Rhetorik hat die Hürden für einen Kompromiss unnötig erhöht. Westliche Proteste und Beobachung geben den Hardlinern Aufwind.

Nicht immer sind chinesische Politiker solche Betonköpfe wie jetzt in der Tibet-Frage. Wenn es sein muss, können Chinas Kommunisten flexibel sein wie Bambus. Sie preisen dann etwa einen brutalen Manchesterkapitalismus als sozialistische Marktwirtschaft. Sie vollziehen so unglaubliche ideologische Wendungen. Diese setzen jedoch die Einsicht voraus, dass die bisherige Politik gescheitert ist. Diese Einsicht hat sich im Falle Tibets noch nicht durchgesetzt, zumindest darf sie vor Pekings Olympischen Spielen nicht ausgesprochen werden. Das wäre jetzt, wo China im Fokus der Welt steht, ein viel zu großer Gesichtsverlust.

Chinas offizielle Positionen zum Tibet-Konflikt und der Person des Dalai Lama lassen jede Kreativität vermissen. Sie erinnern in ihrer gebetsmühlenartigen Sturheit an das störrische Verhalten eines Kleinkinds. Das glaubt allein durch ständiges Wiederholen seiner Position recht zu haben und darauf verzichten zu können, auf Gegenargumente einzugehen. So konnte Peking bisher nicht erklären, warum es nicht mit dem gemäßigten Dalai Lama reden will, der eben nicht Tibets Unabhängigkeit fordert.

Durch den Rückfall in eine längst überwunden geglaubte Rhetorik und die Verteufelung des Dalai Lama hat Peking die Hürden für Kompromisse unnötig erhöht. Sollten Chinas Politiker irgendwann merken, dass sie eine Kurskorrektur brauchen, ist der Gesichtsverlust umso größer. Eine Änderung der Tibet-Politik oder Gespräche mit dem Dalai Lama noch vor den Spielen scheinen ausgeschlossen. Die starke internationale Beobachtung, unter der China jetzt steht, sowie die als ungerecht empfundenen Proteste im Westen stärken die Betonköpfe und führen zum Schulterschluss zwischen Führung und Han-chinesischer Bevölkerung in einer kollektiven Abwehrhaltung.

Doch nicht nur Peking braucht eine Politik, die den Beton aufbricht und Bambus sprießen lässt. Auch im Westen sind viele Reaktionen reflexhaft und wenig kreativ. Und manche scheinen weniger an einer konstruktiven Lösung interessiert als daran, China eins auszuwischen.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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