Lesbe bangt um Unterhaltszahlung: Von Alphatieren und Weicheiern

Eine Frau verlässt ihren Mann. Nun liebt sie eine Frau - und muss fürchten, dass ihr Ex kein Geld zahlt. Der Streit beschäftigt die Gerichte. Was steckt dahinter?

Das Rollenverständnis des Gerichts ist verquer und patriarchalisch. Bild: ap

"Wer seine Familie für einen homosexuellen Partner verlässt, kann dadurch seinen Unterhaltsanspruch verlieren", vermeldete gestern die Deutsche Presseagentur (dpa). Übrigens: Das Gleiche gilt auch für heterosexuelle Partner. Das aber stand nicht in der Pressemeldung. Die Debatte um eine lesbisch gewordene Frau, deren Exmann nicht mehr für sie aufkommen möchte, zeigt, wie schwer sich die breite Öffentlichkeit immer noch in Sachen Abgrenzung tut.

Frau K. hatte sich in eine Frau verliebt und daraufhin Mann und Kinder verlassen. Nach den Worten der Karlsruher Richter kann es einem Ehepartner unzumutbar sein, weiterhin für den Unterhalt des anderen aufzukommen, wenn dieser eine dauerhafte neue Beziehung eingehe. Allerdings, das macht das Urteil deutlich, gilt dieser Grundsatz auch für gleichgeschlechtliche Beziehungen.

Als emanzipatorischer Erfolg lässt sich diese juristische Gleichstellung nicht verbuchen. Schlimm genug, dass es überhaupt so weit kommen konnte: Laut Jutta Wagner, Präsidentin des Deutschen Juristinnenbunds, argumentieren Männer, die keinen Unterhalt zahlen wollen, immer wieder mit der "besonderen Kränkung" durch eine lesbische Beziehung. Ein Argument, das möglicherweise auch in diesem Fall mitschwang. Die erste Instanz, das Amtsgericht Schwedt, gab dem Ehemann Recht. Seiner Ehemaligen wurde "grobe Verantwortungslosigkeit und Pflichtwidrigkeit" unterstellt.

Kein Wunder, dass das Oberlandesgericht Brandenburg dieses Urteil kurz darauf wieder aufhob. Nach dem Richterspruch gestern in Baden-Württemberg muss es nun erneut über Frau K. entscheiden.

Die Auseinandersetzung erinnert an einen ähnlich absurden Fall aus München. Dort erntete ein Amtsrichter letzten Sommer einen Befangenheitsantrag, weil er die Unterhaltsklage eines Schwulen abgewiesen hatte - mit der Begründung, dass "zwischen den Moralvorstellungen von homo- und heterosexuellen Menschen grundsätzlich ein Unterschied vorherrsche". Bei Frau K. schwingt die Diskussion mit, ob die Liebe zwischen zwei Frauen eine Kränkung des männlichen Stolzes darstellt, die schwerer wiegen soll als der Ehebruch mit einem anderen Mann. 26 Jahre waren Herr und Frau K. verheiratet, sie gebar fünf Kinder. Nun stellt der Ehemann mit seiner Klage die ganze Ehe infrage. Was steht hinter der Weigerung, Unterhalt zu zahlen? Gedanken wie: Warum jemanden finanzieren, der einen womöglich schon immer angelogen hat? Welche Rechtsgültigkeit hatte die Ehe überhaupt, wenn die Angetraute schon immer lesbisch war? Frau K. sah sich der skurrilen Forderung ausgesetzt, ihre Liebe zu erklären und ihre sexuelle Identität, ihre Neuorientierung zu rechtfertigen - ein komplexes Konstrukt, das weder zeitlich noch juristisch noch biologisch greifbar ist.

Als "natürliche, schicksalsbedingte Begebenheit" bezeichnete das Oberlandesgericht ihre Hinwendung zu einer Frau. Damit ist schon mal eines klar: Niemand geht einfach hin und beschließt, in Zukunft ein lesbisches Leben zu führen. Auf den ersten Blick wirkt die Entscheidung für das eigene Geschlecht leichter als in schwulen Biografien. Doch gerade die Leichtigkeit, mit der etwa das Party-Knutschen zwischen Freundinnen akzeptiert, ja vielleicht sogar gewünscht wird, macht es Lesben auch schwer.

In unserer metrosexuellen, "L-Word"-geprägten Gesellschaft gilt es schon beinahe als schick, seinen Lebenslauf mit gleichgeschlechtlichen Erfahrungen zu schmücken. Die Berührungsängste gegenüber lesbischer Sexualität sind geringer - weil diese weniger ernst genommen wird. Entsprechend groß ist der Schock, wenn sich Frauen nach Jahren heterosexuellen Familienlebens ernsthaft in eine Frau verlieben. So wie Frau K. In diesem Kontext wirkt die Gerechtigkeitsforderung ihres Mannes genauso hilflos wie die gängige Pseudoerklärung "Dir hat es doch nur noch keiner so richtig besorgt".

Was hier eigentlich zum Vorschein kommt, ist ein verqueres und zugleich sehr patriarchalisches Rollenverständnis: Ein lesbisches Verhältnis, das ja sonst in erster Linie als Männerfantasie herhalten muss, hat sich in einem öffentlichen Affentanz als Egogefährdung erwiesen. Ein gebrochenes Herz wäre nur menschlich und verständlich gewesen. So aber hat das starke Alphatier, als Besserverdienender in der Unterhaltspflicht, sich selbst zum Weichei degradiert. Schade, dass er aus der BGH-Entscheidung vorerst als Sieger hervorgeht. Denn ein simpler Fakt gerät dabei völlig aus den Augen: Frau K. hat ein Recht auf das Geld, weil sie arbeitslos sowie körperlich und seelisch beeinträchtigt ist. Und das hat nichts mit ihrer Homosexualität zu tun.

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