Kommentar Chinesische Proteste: KP lässt Nationalisten gewähren

Chinas KP legitimiert sich auch dadurch, die Nation zu einen. Deshalb lässt sie Proteste der Nationalisten gegen Frankreich zu. Vorerst. Bei den Spielen könnten sie Probleme machen.

Chinas Nationalisten sind über Frankreich empört. In Paris gab es die massivsten protibetischen Proteste. Am dortigen Rathaus bekundete ein offizielles Plakat gar das Interesse an Menschenrechten überall auf der Welt, also auch in China. Und Präsident Sarkozy lässt noch offen, ob er der Eröffnung der Pekinger Spiele fernbleibt. Dazu existiert das Gerücht, die Supermarktkette Carrefour unterstütze Tibets Unabhängigkeit. Deshalb wird Carrefour jetzt stellvertretend für "die" Franzosen in China boykottiert.

Die Regierung in Peking lässt die Nationalisten zunächst gewähren. Das erinnert an antiamerikanische Proteste in China nach der Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad 1999 und antijapanische Proteste 2005 gegen Tokios Geschichtsrevisionismus. Auch damals ließ Peking den Volkszorn nicht nur zunächst zu, sondern stachelte ihn sogar noch an. Die Regierung konnte so den Protest kanalisieren und zugleich zeigen, dass die Bevölkerung hinter ihr steht.

Chinas KP legitimiert ihre Herrschaft heute vor allem mit dem Wirtschaftswachstum und als Hüterin der nationalen Einheit. Nur die Kommunisten, so die Doktrin, könnten Chinas historische Stärke wieder herstellen. Die zurückgeholten Kolonien Hongkong und Macao und die Verhinderung der Abspaltung Taiwans und Tibets dienen als Beweis. Dieser Staatsnationalismus bedient sich des Volksnationalismus, muss ihn aber auch fürchten. Schnell kann er sich gegen die eigene Regierung richten oder Staatsinteressen durchkreuzen. In den Jahren 1999 und 2005 beendete die Regierung die Proteste daher nach kurzer Zeit, um nicht die Kontrolle zu verlieren.

Vergleichbares deutet sich jetzt an. Die regulierten Medien, die den Volkszorn im Internet zunächst guthießen, beginnen zu beschwichtigen. Peking kann zu den wichtigen Olympischen Spielen keine ungehemmten nationalistischen Eruptionen gebrauchen. Man stelle sich vor, französische Sportler würden im August ausgepfiffen oder gar angegriffen. Solche hässlichen Szenen würden den Imagegewinn zerstören, den sich die Regierung von den Spielen erhofft. Die jetzigen antifranzösischen Proteste könnten zum Spiel mit dem olympischen Feuer werden.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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