SPD-Frau vor Denkzettelwahl: Ulla Burchardt

„Hier werden ganz andere Rechnungen aufgemacht“ – Warum die linke Dortmunder SPD-Abgeordnete und Andrea-Nahles-Unterstützerin Ulla Burchardt auf dem heute beginnenden Bundesparteitag mit einem Racheakt rechnen muss

Man müsste Ulla Burchardt fragen, wie der heute beginnende Karlsruher SPD-Bundesparteitag laufen wird. Doch leider war die 51-jährige Parteilinke aus Dortmund gestern nicht per Mobiltelefon erreichbar. Unter der Handynummer, die uns Burchardts Büro vor einigen Tagen gegeben hatte, meldete sich eine Kinderstimme und sagte: „Nein, das ist nicht das Handy von Ulla Burchardt.“ Ein Missverständnis? Falsch verbunden? Vielleicht wäre es aus Sicht von Burchardt ohnehin klüger, so kurz vor dem Parteitag besser zu schweigen.

Wie werden die SPD-Delegierten mit Vorstandsmitgliedern umgehen, die – bewusst, unabsichtlich oder als politische Unfallbeteiligte – zum Sturz von Parteichef Franz Müntering beigetragen haben? Vor zwei Wochen gehörte Ulla Burchardt zu jenen 23 Mitgliedern des Bundesvorstands, die nicht für Münteferings Kandidaten Kajo Wasserhövel, sondern für Ex-Juso-Chefin Andrea Nahles als Generalsekretärin votiert hatten. Der folgende Münte-Abgang (den Burchardt in der taz so kommentierte: „Es gibt Schlimmeres“) hat die SPD in eine Führungskrise gestürzt, deren Folgen in NRW besonders lang nachwirken dürften. Am vorvergangenen Wochenende mussten sich Nahles-Unterstützer wie Burchardt auf der Delegiertenvorbesprechung der NRW-SPD in Oberhausen schwere Vorwürfe anhören. Einige Sitzungsteilnehmer drohten damit, den Nahles-Fans bei der Vorstandsneuwahl einen Denkzettel zu erteilen.

Neben Burchardt müssen auch die designierte Vize-Parteichefin Bärbel Dieckmann und Ex-Landesministerin Birgit Fischer ein schlechtes Ergebnis fürchten – als Rache für Münte. In der Lokalpresse äußerte sich Burchardt vor einigen Tagen über die verklausulierten Drohszenarien, die derzeit in der SPD die Runde machen. „Die, die meinen, sie müssten spalten, müssen wissen, dass sie NRW schwächen, und das wäre nicht sehr klug“, wurde sie zitiert. Und weiter: „Hier werden ganz andere Rechnungen aufgemacht, die mit dem Montag [dem Tag des Müntefering-Abgangs, Anm. d. Red.] nichts zu tun haben.“ Der Karlsruher Parteitag also als perfekte Gelegenheit, um sich an den störenden Parteilinken zu rächen? Im Vorfeld des SPD-Konvents warnt der DGB bereits vor einem drohenden „Rechtsruck“ bei den Vorstandswahlen.

Auch wenn Burchardt nicht oder mit schlechterem Ergebnis gewählt werden sollte, wird die Politkarriere der Bundestagsabgeordneten weiter gehen – sie gilt als chancenreiche Kandidatin für den NRW-Landesgruppenvorsitz. Ihre kritische Haltung zum realpolitischen Kurs des SPD-Mainstreams dürfte sie ebenfalls beibehalten. Die verheiratete Mutter zweier Töchter, Diplom-Pädagogin und Forschungspolitikerin stammt aus dem Kernmilieu der SPD, der Arbeiterschaft. Falls Burchardt in Karlsruhe aus dem Vorstand fällt, hätte sie zudem mehr Zeit für eine anderen Arbeitsschwerpunkt: Sie ist Vorsitzende der deutsch-italienischen Parlamentariergruppe. MARTIN TEIGELER