Gemeinsam sind wir stark

Wo Linksbündnis draufsteht, ist Scherbenhaufen drin: Vor allem in Schleswig-Holstein streiten sich Wahlalternative und PDS. Und längst geht es nicht mehr nur um Lutz Heilmanns Stasi-Vergangenheit

von Daniel Wiese

Das Linksbündnis sitzt zwar im Bundestag. Vereinigt haben sich die Linkspartei und ihre Partnerin, die „Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ WASG, noch lange nicht. Wer das nicht glaubt, muss nur nach Schleswig-Holstein schauen. Während Stille herrscht in Niedersachsen, abwartende Ruhe in Hamburg und in Bremen gelegentlich die Sorge ventiliert wird, dass eine echte Fusion die Vorherrschaft der PDS bedeute, knirscht es im hohen Norden im Gebälk. Vernehmlich.

Anders als im Land Berlin, wo die Linkspartei mitregiert und die WASG sich als außerparlamentarische Opposition versteht, gibt es in Schleswig-Holstein eigentlich keine strukturelle Schieflage: Mit 0,8 Prozent der Stimmen hatte die PDS im Februar den Einzug in den Landtag verpasst, die WASG war noch nicht angetreten. Und vor der Bundestagswahl sah es auch ganz danach aus, als hätten sich die ungleichen Partner zusammengerauft: Unter dem Label Linkspartei stellten sie auch hier eine gemeinsame Landesliste auf. Lutz Heilmann (PDS) kam auf Platz Eins, Heidi Beutin (WASG) auf Platz Zwei.

Bei der Wahl zog Heilmann dann in den Bundestag ein, Beutin nicht. Doch die Stimmung kippte erst, als der Spiegel Anfang Oktober Details aus Heilmanns Vergangenheit enthüllte. Der Neuabgeordnete habe „offenbar Erinnerungslücken im Hinblick auf seinen Lebenslauf“. Auf der Homepage des Bundestages gebe der einstige DDR-Bürger an, von 1985 bis 1990 Wehrdienst geleistet zu haben. In Wirklichkeit habe Heilmann jedoch im Dienste des Ministeriums für Staatssicherheit gestanden – als Personenschützer.

Als dann noch die Landesvorsitzende der Linkspartei, Edda Lechner, zugab, dass sie von Heilmann vorab informiert worden war, sah die WASG rot. Man sei „mehr als verwundert“, sagte der Kieler WASG-Sprecher Birger Heidtmann, „über den Umgang der Linkspartei mit diesen Informationen“. Die WASG habe davon erst durch die Presse erfahren.

Als Konsequenz kündigte die WASG die Gespräche zwischen den Landesvorständen der beiden Parteien auf. „Eine Informationspolitik eines Landesvorstandes, die eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit duldet, können wir nicht unterstützten“, schrieb der Landesvorstand der WASG in einem Offenen Brief „an die Mitglieder der Linkspartei.PDS“. Durch sein Verhalten habe der Vorstand „der gesamten deutschen Linken erheblichen Schaden zugefügt“.

Einzelne WASG-Politiker gingen weiter. So schickte der Vorsitzende des Kreisverbandes Herzogtum Lauenburg, Klaus Gäde, vergangene Woche ein Schreiben an die Presse, in dem er den Landesvorstandssprecher seiner Partei, Lorenz Gösta Beutin, zum Rücktritt auffordert. Beutin erwecke fälschlich den Eindruck, eine überwältigende Mehrheit in der WASG sei für einen Zusammenschluss mit der Linkspartei. „Gäde und sein Kreisverband“, heißt es in dem Schreiben, „lehnen ein Bündnis mit der Linkspartei/PDS gänzlich ab.“

Am Freitag wurde der Unruhestifter zwar vom Landesrat seiner Partei zurückgepfiffen. Und gerügt. Trotz des Abbruchs der Gespräche mit der Linkspartei trete man „grundsätzlich für den Prozess der Neuformierung einer linken Kraft in Deutschland“ ein, heißt es in der Erklärung, die das Gremium „einstimmig“ verabschiedet habe. Doch in der Partei brodelt es weiter. Es gebe bei der Linkspartei „sehr, sehr gute Leute“, sagt WASG-Vorstandssprecher Birger Heidtmann. „Aber im Vorstand sind Persönlichkeiten, mit denen wir nicht mehr reden.“

Der parteiinterne Streit um die Linie geht so weit, dass die ehemalige WASG-Pressesprecherin Antje Nidda Schweda, die zu deutlich einer Vereinigung das Wort redete, ihren Abschied einreichen musste. Inzwischen meldet sich Schweda unter der Nummer der Linkspartei-Zentrale in Kiel. „Ich wurde als Turbofusionistin beschimpft“, sagt sie, auf die Vorfälle angesprochen.

Doch nicht nur die WASG ist verstört, auch in der Linkspartei hat der Fall Heilmann Unmut ausgelöst. So hat die Bundestagsfraktion seinen Wunsch, Schriftführer zu werden, abgelehnt – und gleichzeitig sein Schweigen scharf kritisiert.

Edda Lechner ist in Schleswig-Holstein Landesvorsitzende der Linkspartei. Sie müht sich derzeit, die Scherben zu kitten: „Ich versuche deutlich zu machen, dass die WASG nicht weniger Informationen hatte als die Linkspartei.“ Ihr allein sei die Vergangenheit des Kandidaten bekannt gewesen, und sie habe absichtlich geschwiegen, schließlich sei Heilmann kein Spitzel gewesen. „Wenn ich geahnt hätte, dass das so ein Streitpunkt wird, hätte ich das nicht getan.“

Ob dieses Eingeständnis reicht, wird sich am 4. Dezember bei der Landesmitgliederversammlung der Linkspartei zeigen. Es werde Anträge zur Person Heilmanns geben, ist aus Parteikreisen zu erfahren, es fällt das Wort „kaltstellen“. Und auch die Vorsitzende steht in der Kritik. „Im Februar“, sagt ein Informant aus der Parteizentrale bedeutungsschwer, „sind Neuwahlen.“