Schulhofmeisterschaft im Antikschuppen

„Ching, Chang, Chong“ hat jeder schon mal gespielt – gegen Freunde oder Mitschüler. Nun wurde der norddeutsche Meister gekürt. Nicht auf dem Schulhof, sondern in einer Disco in Bad Segeberg. Der Erlös geht an Ärzte ohne Grenzen und eine Organisation zur Vorbeugung von Brustkrebs

aus Bad Segebergvon Christian Görtzen

Es ist wie mit Godot. Er kommt wohl nicht. Eigentlich müsste jede Sekunde die Eingangstür der Bad Segeberger Discothek „Antikschuppen“ aufschwingen, und Sylvester Stallone würde im Türrahmen stehen, mit seinem notorisch lässigen Grinsen im Gesicht. Flugs würde sich eine Gasse für den „Rocky“- Darsteller öffnen. Und zu Stallones schlurfendem Schritt würde der Discjockey den Lautstärkeregler seiner Anlage so energisch nach oben bewegen, dass das gerade gespielte Lied „Eye of the tiger“ danach keineswegs mehr im Supermarkt als zum Kauf animierende Musik hätte Verwendung finden können. Ja, genau so hätte alles kommen können. Schließlich ist der heutige Abend einer für wahre Helden – und Heldinnen, natürlich.

Reminiszenz an Sylvester Stallone

Es ist der Abend, an dem Norddeutschlands erster Champion im Ching Chang Chong gekürt wird. Jener Schulhofmeisterschaft, die in bestimmten Regionen der Republik seit den frühen achtziger Jahren auch unter dem Namen „Schnick Schnack Schnuck“ sowohl Teilnehmer als auch Zuschauer in Atem gehalten hat. Das Prinzip ist so einfach wie genial: Zwei Spieler treten gegeneinander an, auf Kommando wird zu den Rufen „Ching! Chang! Chong!“ dreimal zackig mit der rechten Faust geschwungen und danach mit der Hand eine von drei möglichen Figuren gebildet – eine flache Hand für die Figur Papier, eine Faust für den Stein, und das Victory-Zeichen als Sinnbild der Schere. Daraus leiten sich die Regeln ab: Schere schneidet Papier, Papier umhüllt den Stein, und der Stein schleift die Schere. Drei Gewinnsätze á drei Punkte werden hier, bei den Ching-Chang-Chong-Masters in Bad Segeberg, gespielt. 35 Teilnehmer haben sich dafür angemeldet. Nach einer Gruppenphase stehen die 16 Achtelfinalisten fest; der Sieger wird danach im K.o-System ermittelt. Zunächst wird an fünf Tischen gleichzeitig gespielt. Auch das wirkt wie eine Reminiszenz an Sylvester Stallones Film „Over the top“, in dem der nordamerikanische Meister im Armdrücken ermittelt wird. Doch Stallone lässt heute auf sich warten.

Stattdessen sind Malte Rosahl und Patrick Benecke gekommen. Während es für den 22 Jahre alten Rosahl aus Groß Harrie (bei Neumünster) ganz gut anläuft, steht der drei Jahre ältere Benecke früh auf verlorenem Posten. Dreimal ist der Bad Segeberger angetreten, dreimal hat er den Ring als Verlierer verlassen. „Ja, jetzt stehe ich in der Pflicht. Ich war ein bisschen in Geberlaune, habe nicht sofort die Katze aus dem Sack gelassen. Aber jetzt ist Schluss mit Kindergarten. Ich bin guter Dinge, dass ich konditionell stärker bin als die Anderen“, sagt Benecke und grinst dazu. Malte Rosahl zieht sich derweil gerade wieder den mitgebrachten Plastikhandschuh über die rechte Hand. „Wärme ist wichtig für die Hand. Sie muss schließlich geschont werden“, erklärt der Lkw-Mechaniker, der sich im Stile eines American-Football-Spielers dicke, schwarze Striche unter die Augen gemalt hat. Dem Gegner durch einen grimmigen Blick Furcht einflößen – das dürfte doch helfen, hofft er.

„Die Technik, die man hat, haben die anderen allerdings auch. Das ist das Problem“, sagt Rosahl. Nach dem vierten Sieg, der ihn ins Achtelfinale hievt, streckt er den Arm nach oben und ruft begeistert: „Leckt meine Hand! Leckt meine Hand!“ Bei Patrick Benecke bleibt die Katze im Sack. Für ihn gilt: Raus mit Applaus – wobei der einzige Beifall von seinen „Biertanic“- Teamkollegen kommt.

Erfolglose Veranstalter

Verantwortlich für das Ching-Chang-Chong-Masters sind Michael Meier (31), Tobias Gellert (33) und Torsten Trozki (37). Die drei nahmen – als halb- puertoricanische Funky Chicos-DJ's verkleidet – selbst am Turnier teil. Allerdings reichlich erfolglos. Mit dem Gesamteindruck der Veranstaltung waren sie dagegen sehr zufrieden. „Das ist doch super genial. Ching Chang Chong ist Adrenalin pur. Wir werden das im nächsten Jahr auf alle Fälle wieder veranstalten“, sagt Gellert, der wie seine beiden Freunde ein großer Fan der achtziger Jahre und deren ganz eigentümlicher Spiele ist. Erst im Sommer veranstalteten die drei ein Völkerball-Turnier.

Für Malte Rosahl ist im Achtelfinale Endstation. Rosahls letzte Figur ist ein Stein, seine Gegnerin hat Papier gewählt. 0:3-Sätze - so schnell ist alles vorbei. Den Sieg sichert sich immerhin sein Teamkollege Julian Delorme aus Ricklingen. Der 19-Jährige bezwingt in einem packenden Finale Sandra Gräper (Bad Segeberg) mit 3:2-Sätzen. Ein Siegerpokal und 500 Euro sind der Lohn für die nervliche Anspannung. 150 Euro davon spendet der Sieger einer Kindertagestätte. Der Erlös der Ching-Chang-Chong-Masters geht zu gleichen Teilen an Ärzte ohne Grenzen und eine Organisation zur Vorbeugung von Brustkrebs. All jene, die nicht erschienen sind, haben etwas verpasst.