Kommentar Konflikt Russland - Georgien: Der Konflikt in Abchasien wird benutzt
Der Schlagabtausch zwischen Moskau und Tblissi ist ein Déjà-vu. Doch auch wenn beide Länder kein Interesse an einer Eskalation in Abchasien haben, ist diese nicht ausgeschlossen.
R ussland stockt seine Friedenstruppen in der abtrünnigen georgischen Region Abchasien auf. Georgiens Präsident Michail Saakaschwili spricht von einer Verletzung fundamentaler Werte und Prinzipien und fordert die Vereinten Nationen auf, Beobachter in das Gebiet zu entsenden.
Der neue Schlagabtausch zwischen Moskau und Tbilissi ist ein Déjà-vu. Seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 nutzt Moskau konfliktträchtige Regionen wie Abchasien und Südossetien in Georgien, aber auch Transnistrien in der Republik Moldau, um seinen als legitim angesehenen Einfluss im sogenannten nahen Ausland geltend zu machen.
Warum der eingefrorene Konflikt um Abchasien gerade jetzt wieder angeheizt wird, darüber lässt sich nur mutmaßen. Zweifellos dürften die Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo sowie der Wunsch Georgiens, der Nato beizutreten, die jüngsten Schritte Moskaus mit motiviert haben. Vor allem eine Mitgliedschaft Georgiens im westlichen Militärbündnis wird von Russland als offener Affront empfunden. Demgegenüber geriert sich Georgien wieder einmal als Opfer einer aggressiven Politik des Nachbarn und könnte versucht sein, die jüngsten Vorfälle dazu zu benutzen, seinen erst kürzlich abschlägig beschiedenen Ambitionen auf einen baldigen Beitritt zur Nato Nachdruck zu verleihen.
Doch ungeachtet allen Säbelrasselns: An einer bewaffneten Auseinandersetzung kann Russland so kurz vor dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Dmitri Medwedjew, in den auch der Westen hohe Erwartungen setzt, nicht gelegen sein. Auch Georgien könnte sich in solch einem Fall vom Ziel einer Westintegration für die nächste Zeit wohl erst einmal verabschieden.
Dennoch ist nicht auszuschließen, dass der Konflikt außer Kontrolle gerät. Das zu verhindern, sind nicht nur die beiden Konfliktparteien gefordert, sondern auch die UNO. Sie wäre gut beraten, dem Hilferuf Saakaschwilis nachzukommen, denn andernfalls könnte Georgien seine Zustimmung zu der UNO-Mission aufkündigen. Keine erfreuliche Perspektive.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!