Regierung mit Ultranationalisten: Anti-Europa-Lager will Belgrad regieren

Ultranationalisten, Demokratische Partei und Milosevics Sozialisten einigen sich auf Regierungsbündnis für Serbiens Hauptstadt. Für viele Indiz für eine avisierte Koalition auch auf nationaler Ebene.

Grund zur Sorge für EU-Befürworter Boris Tadic. Bild: dpa

BELGRAD taz Die Serbische Radikale Partei (SRS), die Demokratische Partei Serbiens (DSS) des scheidenden Premiers,Vojislav Kostunica, und die Sozialistische Partei Serbiens (SPS) haben sich auf die Bildung einer gemeinsame Regierung für die Stadt Belgrad geeinigt. Dies gaben die Vertreter der drei Parteien vor Journalisten in Belgrad bekannt. Detailfragen, wie beispielsweise die Ämterverteilung, müsten jedoch noch geklärt werden, hieß es. Bürgermeister von Belgrad und somit der drittmächtigste Mann in Serbien gleich nach dem Premier und dem Parlamentspräsidenten, soll Aleksandar Vucic von der SRS werden.

Medienberichten zufolgen könnten die nationalistisch-konservativen Kräfte überall dort Koalitionen bilden, wo das nach den am vergangenen Sonntag abgehaltenen Kommunalwahlen rechnerisch möglich ist. Praktisch würde das heißen, daß das Dreiergespann die Macht in zwei Drittel der serbischen Gemeinden übernehmen würde.

Belgrad sei ein so großer politischer und wirtschaftlicher Brocken, daß die Einigung der europaskeptischen Parteien, in der Hauptstadt zu regieren, ein sicheres Indiz für eine gemeinsame Koalition auf nationaler Ebene sein könnte, meinen Analytiker. Belgrad mit rund zwei Millionen Einwohnern ist das Wirtschaftszentrum Serbiens.

Die von Slobodan Milosevic gegründete SPS ist das Zünglein an der Waage. Die Sozialisten werden sowohl die künftige snationale Regierung, als auch die lokalen Regierungen in den meisten Gemeinden bestimmen. Das gemeinsame Politikprogramm, das die SRS und die DSS gleich nach den Parlamentswahlen bekannt gaben, sei fast identisch mit den Zielen der Sozialisten, meinte SPS-Chef, Ivica Dacic. Das heißt, daß die Mitgliedschaft Serbiens in der EU zwar erwünscht sei, aber nur, wenn Brüssel die territoriale Integrität Serbiens samt des Kosovo anerkennt. Dias Programm der SPS und ihrer Koalitionspartner sieht eine Reform der Arbeits- und Rentengesetze, der Gesundheitsversicherung und des Bildungswesens vor.

Auch die von Staatspräsident Boris Tadic angeführte Koalition "Für ein europäisches Serbien" umwirbt die SPS. Tadic sparte nicht mit Komplimenten an die Adresse seiner ehemaligen politischen Feinde, die Serbien in den Neunzigerjahren von einem Krieg in den anderen trieben und das Land in die internationale Isolation führten.

Die SPS sei ein absolut akzeptabler Partner für die Demokratische Partei (DS), denn beide Parteien teilten die Ideologie der Sozialistischen Internationale, meinte Tadic. Er hoffe nur, daß Tadic seine Meinung über die SPS nicht ändern würde, wenn sich die Sozialisten einer anderen parlamentarischen Mehrheit anschließen, konterte Dacic.

In den Reihen der "Europäer", die Serbien in die EU führen wollen, herrschte am Donnerstag ungläubiges Staunen. Funktionäre der DS mußten zusehen, wie nach ihrem sensationellen Stimmenzuwachs bei den Wahlen jetzt eine Regierungskoalition gebildet, die ihrer Meinung nach Serbien in die Isolation führen würde. In der DS hofft man, daß die SPS sich doch noch einer proeuropäischen Regierung anschließen würde, und durch die Verhandlungen mit der SRS und DSS nur den Preis für ihre Unterstützung hochtreiben möchte.

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