Debatte Bushs Nahostpolitik: Der letzte Seufzer des Präsidenten

Mit seiner Nahost-Reise hat George W. Bush seine arabischen Bündnispartner brüskiert. Mit seiner Politik hat er in acht Jahren nur Washingtons Gegner in der Region gestärkt

Es sollte der letzte Triumph des scheidenden US-Präsidenten werden. Mit einem letzten großen Gipfel wollte George W. Bush im krisengeschüttelten Nahen Osten noch einmal das Ruder herumreißen. Jedenfalls war die Zusammenkunft im ägyptischen Badeort Scharm al-Scheich vor Wochen so angekündigt worden: als letzter Push von Bush.

Am Ende war es ein Fiasko. Der israelische Premier Ehud Olmert fand es noch nicht einmal wert, persönlich zu dem Treffen zu erscheinen, und schickte nur seine Außen- und Verteidigungsminister hin. Der arabische Empfang für Bush verlief kühl: Ägyptens Präsident Husni Mubarak, der Gastgeber, wollte sich nicht einmal mehr mit Bush einer gemeinsamen Pressekonferenz stellen. Zu verärgert ist die arabische Seite über Bushs Rede bei den Feiern zum 60. Jahrestag der Staatsgründung in Israel, bei denen er zwar viel über die iranische Drohung schwadroniert, aber kaum ein Wort über die Zukunft der Palästinenser verloren hatte.

Pathetisch hatte sich der US-Präsident dort als "größter Freund Israels aller Zeiten" feiern lassen - was auf arabischer Seite die Frage aufwarf, wie er da noch in diesem Konflikt als ehrlicher Makler vermitteln will. Während Bush in Israel des Lobes für die Gastgeber voll war, hatte er für die Araber beim Weltwirtschaftsforums am Sonntag in Scharm al-Scheich nur ein paar gute Ratschläge übrig: Reformiert euch und haltet euch vom Iran und Syrien fern, so lautete seine Botschaft, ganz so, als gäbe es gar keinen Nahostkonflikt.

Die Bilanz von acht Jahren Bush in der Region ist verheerend: zwei Kriege in Afghanistan und Irak, die bis heute noch kein Ende gefunden haben, sowie eine neue diplomatische Front gegen den Iran und Syrien, an der Washington ebenfalls zu verlieren droht.

Die Bush-Regierung hat alles darauf gesetzt, den Nahen Osten zu polarisieren. In ihren Augen steht eine Achse arabischer Verbündeter - allen voran Ägypten, Saudi-Arabien, Jordanien und die libanesische Regierung unter Premier Fuad Siniora, gegen eine "Achse des Bösen", die aus dem Iran, Syrien, der palästinensischen Hamas und der libanesischen Hisbollah besteht. In Washington glaubt man ernsthaft daran, ohne Letztere eine politische Lösung finden zu können. Man hat sich der Illusion verschrieben, die beiden Regionalmächte Iran und Syrien, die Wahlgewinner von der Hamas sowie die Hisbollah, die stärkste Partei im Libanon, einfach ausklammern und isolieren zu können, in der verrückten Hoffnung, dass sie so eines Tages auf wundersame Weise von der politischen Landkarte der Region verschwinden könnten.

Noch absurder erscheint dieser Ansatz, wenn man sieht, wie Washington mit seinen vermeintlichen Bündnispartnern umgeht. Jene "moderaten" Araber, die auf der Basis "Land gegen Frieden" für einen friedlichen Ausgleich mit Israel eintreten, werden im Stich gelassen. Ägypten, Saudi-Arabien oder Palästinenserpräsident Mahmud Abbas bekommen nichts in die Hand, das sie vorweisen könnten, um jenen entgegenzutreten, die den militanten Widerstand als einzigen Weg propagieren. Akzeptiert die israelische Besatzung und bleibt friedlich - das ist die einzige Botschaft an, die aus Washington kommt.

Der desaströse Effekt dieser Strategie, die radikalen Kräfte einfach zu ignorieren und die moderaten im Regen stehen zu lassen, kann man am Ergebnis ablesen: denn wenn man schaut, wer im Nahen Osten die letzten Runden für sich entscheiden konnte, sieht man die US-freundliche Achse der arabischen Bündnispartner gegenüber der "Achse des militanten Widerstands" im Nachteil. In den palästinensischen Gebieten gewann die Hamas zunächst die Wahlen, worauf der amerikanische Demokratisierungselan abrupt stoppte. Washington antwortete mit einem Boykott der Wahlsieger und stürzte damit auch alle anderen Demokratiebewegungen in der arabischen Welt in eine tiefe Glaubwürdigkeitskrise. Als letzten Sommer die Hamas dann die militärische Macht im Gazastreifen übernahm, war das besonders peinlich für Washington. Denn inzwischen hat die US-Presse aufgedeckt, dass die Fatah zuvor mit Waffenlieferungen aus den USA aufgerüstet worden war - der Coup dEtat der Hamas in Gaza hatte also möglicherweise nur stattgefunden, weil die Hamas einem Gegenputsch zuvorkommen wollte.

Ähnliches ereignet sich jetzt im Libanon. Seit über einem Jahr ist das Land zerrissen zwischen der Regierung, die von Washington unterstützt, und einem Oppositionsbündnis, das von der Hisbollah angeführt wird. Vergangene Woche ließ die Opposition kurz einmal ihre Muskeln spielen, seitdem hat sich das Kräfteverhältnis eindeutig zu ihren Gunsten verschoben. Denn schnell wurde klar, dass die prowestliche Regierung der Opposition auf der Straße wenig entgegenzusetzen hatte. Dabei ging es der Hisbollah und der Opposition gar nicht um die Eroberung von Territorium und Straßenzügen. Sondern nur unter Beweis zu stellen, wer der Stärkere ist.

Bei den Verhandlungen der beiden politischen Lager im Golfemirat Katar pocht die Hisbollah darauf, dass der Opposition ein Vetorecht bei Entscheidungen der Regierung eingeräumt wird. Damit würde sichergestellt, dass in Beirut in Zukunft keine strategische Entscheidung gegen die Schiiten-Miliz getroffen werden kann. Die Frage der Entwaffnung der Hisbollah wäre damit endgültig vom Tisch.

Bei alldem kann Washington nicht viel mehr tun, als zuzusehen, während seine Verbündeten eine Niederlage nach der anderen einstecken. Ob Hamas, Hisbollah oder der Iran - sie alle befinden sich nach acht Jahren Bush auf der Gewinnerstraße.

Strategisch gesehen besitzen die USA nur zwei Optionen. Sie können gegen den Iran und dessen Verbündete einen Krieg beginnen. Aber die Beispiele in Afghanistan und dem Irak, aber auch der letzte Feldzug im Libanon, in dem Israel kein einziges seiner Ziele erreichen konnte, haben gezeigt, dass sich ein solcher Krieg trotz aller militärischen Übermacht nicht gewinnen lässt.

Die zweite Option ist komplizierter. Zum einen müsste der Iran als stärkste Regionalmacht zur Lösung der Probleme in der Region - allen voran im Irak - mit einbezogen werden. Zugleich müsste mit ernsthaften Initiativen ein Weg aufgezeigt werden, wie die israelische Besatzung nach 40 Jahren endlich beendet werden kann. Dass Israel dafür die arabischen Gebiete, die es 1967 erobert hat, zurückgeben muss, steht außer Frage.

Der Deal "Land gegen Frieden" liegt nun schon seit Jahrzehnten auf dem Tisch. Im Gegenzug muss die arabische Seite für Israels Sicherheit und Existenz garantieren. Dann hätte die Logik der friedlichen Koexistenz erstmals die Logik der Gewalt besiegt. Den heiligen Kriegern aller Couleur wäre der Teppich unter den Füßen weggezogen, die Rhetorik eines Ahmadinedschad fände keinen Widerhall mehr. Und nicht die Dschihad-Kämpfer, sondern die Unterhändler wären die Helden der arabischen Welt. KARIM EL-GAWHARY

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Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)

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