Ballack vor dem Champions-League-Finale: "Ich bin aufgepumpt"

Nun ist er doch noch ein "Führungsspieler" geworden. Im Finale kann Michael Ballack mit dem FC Chelsea gegen Manchester United Champions-League-Sieger werden. Wenn...

"Präsenz, Einsatz, Kampfgeist": Ballacks England-Mix Bild: ap

Alles schien seine Ordnung zu haben. Die 44-köpfige Reisegruppe traf sich am Montagmorgen wie verabredet am ehemaligen Militärflughafen Farnborough, bestieg die schwarz lackierte Privat-Boeing von Vereinseigentümer Roman Abramowitsch und flog pünktlich ab. Assistenztrainer Steve Clarke, 44, entspannte sich erst, als der Pilot das Flugziel bestätigte und frühsommerliche Temperaturen in Aussicht stellte. Die Tour hätte auch in andere Gefilde gehen können. "Ihr kommt dieses Jahr ganz sicher nach Russland", hatte ihm Roman Abramowitsch schon vor Monaten versprochen, "ich weiß nur noch nicht, ob nach Moskau oder Sibirien."

Bestimmt war das nur ein Witz des Rohstoffoligarchen. Clarke erzählte diese Anekdote vergangenen Mittwoch jedenfalls in der Gewissheit, es mit den Blues tatsächlich ins Champions-League-Finale (20.45 Uhr, Sat.1, Premiere) an der Moskwa geschafft zu haben. Der frühere Chelsea-Spieler hat persönlich großen Anteil daran. Seit José Mourinho im September gefeuert wurde, leitet der populäre Clarke zusammen mit der holländischen Brüllmaschine Henk ten Cate das Training. Chefcoach Avram Grant - "mehr der beobachtende Typ" (Michael Ballack) - schaut nur zu.

Nie habe er es sich träumen lassen, dass man unter diesen Umständen zum ersten Mal das Endspiel der Königsklasse erreichen würde, hat der Vorsitzende Bruce Buck zugegeben. Doch der Weg spielt keine Rolle mehr, nun, da das große Ziel so nah ist. Die Londoner wollen sich mit der Energie des überraschenden Erfolgs das leicht favorisierte Manchester United bezwingen. Der Flug war gut, die Stimmung prächtig, und er sei "voll aufgepumpt", ließ Michael Ballack am Montagabend aus seinem Hotelzimmer mit Sicht auf den Kreml ausrichten.

Eine Reihe von Chelsea-Spielern - Stürmer Didier Drogba, Mittelfeldspieler Frank Lampard und Verteidiger Ricardo Carvalho - denkt laut über einen Abschied nach dem Finale nach. Grants Chancen auf eine Weiterbeschäftigung sind zudem im wahrsten Sinne des Wortes unberechenbar: Es lässt sich noch nicht einmal sagen, ob sie vom Ergebnis gegen den englischen Meister abhängen. "Ein Sieg oder eine glorreiche Niederlage könnten Abramowitsch dazu bewegen, Grant im Amt zu belassen", will der Independent erfahren haben. Chelsea-Insider bestehen dagegen darauf, dass die Entlassung des Israeli seit langem beschlossene Sache ist. Es kommt ganz darauf an, mit welcher politischen Fraktion im Verein man über das Thema spricht - und an welchem Tag.

Moskau oder Sibirien also. Das gilt auch für Ballack - und seine Saison zwischen den Extremen. Im September, als der 31-Jährige an einer tückischen Knöchelverletzung laborierte, legte der Klub ihn rücksichtslos auf Eis. Der Nationalmannschaftskapitän wurde nicht für die Gruppenphase nominiert. Vor dem Wechsel an die Themse hatte er viel über die neue Herausforderung gesprochen. Dass er dort wirklich wieder "bei null anfangen" müsse, hätte er aber nicht gedacht. Als er im Dezember endlich zurückkam, hatte er das Glück, dass die alten Hierarchien im Team unter Grants passiver Führung zusammengebrochen waren. Mourinhos taktische Fassade stand noch, dahinter aber tat sich das Nichts auf. "Die Spieler haben sich ohne den Trainer zusammen gesetzt und über die Situation nachgedacht", erzählt Ballack. "Und dann haben wir beschlossen, alle zusammen härter zu arbeiten."

"Verantwortung übernehmen bedeutet, im entscheidenden Moment die Tore zu schießen", hat Rudi Völler im März 2006 gesagt, als Deutschland mal wieder seine Sehnsucht nach einem starken Mann - Fachausdruck: "Führungsspieler" - auf Ballack projizierte. Der Görlitzer traf in den Rückspielen des Achtel- und Viertelfinales jeweils zum frühen 1:0. Und er spielte dabei auch bisschen für die Galerie. "Man muss sich an den englischen Stil anpassen und den Fans bieten, was sie sehen wollen", hat er erkannt. "Präsenz, Einsatz, Kampfgeist. Der feine Pass ist dabei manchmal nicht so gefragt." England, dessen Fußball traditionell wenige Nuancen kennt, feiert ihn nun als "Kaiser junior" (Evening Standard) und "Michael Schumacher des Fußballs" (Sun) - seine teutonisch-titanische Siegermentalität hat es den im Verlieren geübten Insulanern besonders angetan. Moskau, sein zweites Endspiel im 10. Jahr Champions League, bezeichnet er als "Meilenstein" - er sieht sich dadurch in seinem Wechsel bestätigt und die Kritiker in der Heimat belehrt. Bayern versage seinetwegen in der Königsklasse, hieß es immer. Es war doch eher etwas anders.

Was fehlt, ist der letzte, große Schritt. Gewinnt aber United, werden ihm viele wieder das Etikett des "ewigen Zweiten" anhängen wollen. Schon nach der knapp verpassten Meisterschaft sah man diesen absurden Reflex.

Moskau oder Sibirien: Zwischen perfekter Landung und totalem Crash scheint es für den Chelsea-Jet keine Alternative zu geben. Genau wie in den Katastrophenfilmen der Siebziger, als regelmäßig der Pilot ausfiel und die Passagiere selbst landen mussten. Meistens gab es: ein Happy End.

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