Stimmungswandel in Jordanien

Nach den Anschlägen in Amman wendet sich die öffentliche Meinung gegen die militanten Islamisten. Unter den im Königreich lebenden Irakern geht die Angst um, dass sie die Leidtragenden sein werden. Denn die Attentäter kamen aus ihrer Heimat

AUS AMMAN KARIM EL-GAWHARY

In Jordanien sind Dutzende von Menschen im Zusammenhang mit den Attentaten auf drei Hotels in Amman verhaftet worden, bei denen am Donnerstag 57 Menschen ums Leben kamen. Unterdessen hat die Terrororganisation al-Qaida die Namen der vier irakischen Selbstmordattentäter veröffentlicht, darunter ist auch ein Ehepaar. Die Frau, Sadschida Mubarak Atrus al Rischawi, wurde festgenommen. Die Aufzeichnung ihres Verhörs wurde am Abend im jordanischen Fernsehen ausgestrahlt. Danach hatte sie in dem Radisson SAS Hotel Probleme mit der Zündung ihres Sprengsstoffgürtels, worauf sie geflohen sei. Ihr Mann zündete seinen Gürtel in einer anderen Ecke des Saals, wo eine Hochzeit gefeiert wurde.

In Jordanien haben die Anschläge zu einem Stimmungswandel geführt. „Das waren Terroristen ohne Religion. Das sind Ungläubige, die Unschuldige töten. Die haben kein Atom Islam in sich“, regt sich ein Mann auf einer Demonstration am Freitag auf. Ein anderer meint, die Attentäter „sollten in Palästina gegen die Besatzer kämpfen oder gegen die Amerikaner im Irak“. Aber Zivilisten zu ermorden, das könne man nicht gutheißen.

„Die Anschläge haben den Jordaniern geholfen, ihre zwiespältige Position gegenüber al-Qaida zu klären“, erklärt Fares Braizat vom Zentrum für Strategische Studien in Amman. Noch vor einem Jahr hatten 67 Prozent der Jordanier in einer Umfrage al-Qaida nicht als Terrorgruppe, sondern als legitime Widerstandsorganisation bezeichnet. Das habe sich nun vollkommen geändert, meint der Politologe. Am Donnerstag habe er zehn Leute angerufen, von denen er wusste, dass sie offene Sympathien für al-Qaida hegten. „Neun von ihnen haben ihre Meinung geändert, und einer war sich noch nicht sicher“, erzählt er.

Auch Muin Rabbani von der International Crisis Group in Amman glaubt, dass die Anschläge zu einem Umdenken geführt haben. Doch die Frage ist, wie lange das anhält. „Man muss auch sehen, dass diese militanten Gruppen mit den Problemen der Besetzung des Irak oder der palästinensischen Gebiete mobilisieren“, warnt er. Diese Probleme seien weiterhin ungelöst. Langfristig „werden die Anschläge auf die Hotels die Stimmung nicht grundsätzlich verändern“.

Auch Braizat verweist auf eine verfehlte Irakpolitik. „Sie haben uns einen Musterstaat im Irak versprochen, der Demokratie und politische Reformen in die ganze Region exportiert“, sagt er. „Stattdessen haben wir es nun mit einem Irak zu tun, der seine Terrorindustrie in die Region exportiert. Nun ist eben auch Jordanien in die Feuerlinie geraten.“

Jetzt warten die Jordanier gespannt darauf, wie der Sicherheitsapparat reagieren wird. Die Polizei spricht von zahlreichen Zeugenaussagen, die bei den mutmaßlichen Tätern kurz vor der Zündung der Sprengsätze einen irakischen Dialekt ausgemacht haben wollen.

Unter den 700.000 in Jordanien lebenden Irakern geht jetzt die Angst um, dass sie den Preis für die Anschläge bezahlen werden. Trug vor den Attentaten fast jedes vierte Auto auf Ammans Straßen ein irakisches Kennzeichen, sind diese Fahrzeuge nun fast vollständig aus dem Straßenbild verschwunden.

Braizat glaubt aber nicht, dass es zu einer Jagd auf Iraker kommen wird. Dafür seien die beiden Länder wirtschaftlich zu eng verwoben. Jordanien habe eindeutig von den irakischen Geldern profitiert, die nach dem Krieg im Königreich angelegt worden seien. Rabbani weist jedoch darauf hin, dass diese Investitionen einer der Gründe für die antiirakische Stimmung seien. Preissteigerungen und Mieterhöhungen würden meist den Irakern in die Schuhe geschoben. Letztlich, meint er, werden wohl die zahlreichen irakischen Tagelöhner, die illegal im Königreich arbeiten, die Leidtragenden sein und erste Opfer eines Sicherheitsapparats werden, der nun alles daransetzen wird, sein Scheitern beim Verhindern der Hotelanschläge wieder wettzumachen.