die wahrheit: Neues aus Neuseeland
Häkeln, ballonstechen und anderer Terror.
Neuseeland liegt zwar am Ende der Welt, aber manchmal doch erstaunlich weit vorne: "Bomben bauen" wird nirgendwo so häufig gegoogelt wie am Rande des Südpazifiks. "Ich war völlig geschockt", gestand der Scotland-Yard-Experte, der die Daten auf einer Konferenz in Sydney vorstellte. "Natürlich würde man zuerst an die USA oder England denken." Weder Bin Ladens Handlanger noch sein Hauptquartier wurden bisher südlich von Fidschi vermutet. Aber das wird sich ändern, seitdem bekannt ist, welch subversiven Elemente zwischen den Schaffarmen schlummern. Neuseeland ist ein Hort schlimmster Unruhen.
Alles begann damit, dass die Polizei im vergangenen Oktober den Uruwera National Park vom Terror säuberte. Dieser Wald ist gottverlassenes nebliges Bergland, in dessen Mitte der radikale Maori-Stamm der Tuhoe tapfer dem Rest der kolonialistischen Zivilisation trotzt. Man reitet auf Pferden, man trägt ein Gewehr, man spricht die eigene, lange verbotene Sprache, und manchmal robbt man paramilitaristisch durchs Unterholz: Alles zuviel für die Kiwi-Bullen, die dahinter gleicht die Keimzelle der Weltrevolution wittern.
Die Nacht-und-Nebel-Aktion mit unzähligen Festnahmen und Hausdurchsuchungen gipfelt demnächst in einem Prozess. Neuseelands Andreas Baader ist auch längst dingfest gemacht: Tame Iti, ein rundum gesichtstätowierter Maori-Aktivist, der als fotogener Oberkrawallo jede Demo schmückt. Er spuckt und schreit auch schon mal gern. Tame Iti ist so theatralisch, dass er jetzt seine Freistellung auf Kaution lockern und nach Europa reisen durfte. Da tourt er in seiner ersten Bühnenrolle als Wüterich im Maori-Drama "Tempest II" durch Belgien, England und Portugal. Zum Fürchten.
Kaum hatte sich der Sturm im Wasserglas um die vermeintliche Terrorzelle im Nationalpark gelegt, da passierte tatsächlich ein Anschlag: Die Abhöranlage in Waihopai, die auch die US-Armee versorgt, war plötzlich um eine der zwei 30 Meter hohen, schneeweißen Spionage-Kugeln ärmer, unter der sich Satellitenschüsseln verbergen. Oder, wie es ein Anwohner umschrieb: "Dolly Parton ist zurzeit etwas schief." Ohne Ansehen auf pneumatische Verluste hatten die Attentäter hinterrücks ein Loch in die aufblasbare Plastikhülle gerissen. Die Kugel erstickte qualvoll. Bei den heimtückischen Ballonstechern handelt es sich um die "Anzac Pflugscharen", vertreten durch einen Bauern, einen Klosterbruder und einen Lehrer.
Als sie im Mai vor Gericht standen, muss es angehenden Schafscherern in den Fingern gejuckt haben: Zwei Zottelbärte, ein Pferdeschwanz, drei überdimensionale Wollpullis, und allesamt auf Socken ohne Schuhe. Während die Friedenskämpfer sich von anderen Dolly-Parton-Gegnern bejubeln ließen, zeigte eine Splittergruppe am Straßenrand von Christchurch ihre Solidarität: Der "Revolutionäre Frauen-Handarbeitszirkel Addington" hielt ein riesiges Geschirrhandtuch als Banner hoch. Gestickte Aufschrift: "Make tea, not war". Die Revoluzzerinnen drohen mit weiterem Nadelklappern: "Es hat diesen politischen Aspekt - denk global, handle lokal." Antiterroreinheiten sind alarmiert. Darauf ein Tässchen, und einmal fallen lassen.
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