Debatte Fremdenhass in Südafrika: Mbeki verkennt die Signale

In Südafrika breitet sich Fremdenhass aus. Ursache ist die immense soziale Ungleichheit, für die die Regierung auch 14 Jahre nach Ende des Apartheid-Regimes keine Lösung hat.

Seit zwei Wochen erschüttert ausländerfeindliche Gewalt Südafrika. Menschen wurden grausam getötet oder aus ihren Häusern vertrieben. Trotz des Einsatzes von Polizei und Armee hat sich die fremdenfeindliche Gewalt, die sich vor allem gegen andere Afrikaner richtet, vom Armenviertel Alexandra in Johannesburg ausgebreitet und nun schon sieben von neun Provinzen erfasst.

Die Übergriffe sind vor allem ein Fanal für das Scheitern des südafrikanischen Präsidenten Mbeki. Obwohl er und seine Regierung nicht für alle Probleme verantwortlich gemacht werden können, so hat sie doch in vier Bereichen versagt: Sie hat das Ausmaß der Übergriffe komplett unterschätzt und viel zu spät reagiert. Obwohl der Regierung die aggressive fremdenfeindliche Stimmung bekannt war, wurde sie vom Ausmaß der Gewalt überrascht. Es dauerte fast 14 Tage, bis Präsident Mbeki die Armee zur Unterstützung der überforderten Polizei in die Townships schickte. Zu der Zeit hatte die Gewalt dort bereits Überhand genommen.

Mindestens ebenso verheerend war das Wegducken des Präsidenten. Ungerührt zog Mbeki sein internationales Reiseprogramm durch, obwohl seine Anwesenheit in der Heimat dringend erforderlich gewesen wäre. Bis heute konnte er sich nicht dazu durchringen, zumindest einige Opfer der Gewalt aufzusuchen und sich vor Ort persönlich ein Bild zu machen.

Mit dieser Ignoranz zieht er die öffentliche Kritik auf sich. Erst am Sonntag vor einer Woche - ausgerechnet dem "Afrika Tag" - erklärte sich Mbeki öffentlich, nannte die ausländerfeindlichen Übergriffe eine "Schande", sprach von "Wildheit", "Gefühllosigkeit" und "Barbarei". Allerdings lag er mit seiner Diagnose vollkommen daneben, in dem er nur "einige wenige Personen" für die Ausschreitungen verantwortlich machte und damit die landesweiten Unruhen verharmloste.

Das führt zum zweiten Versagen der Regierung Mbeki: Offensichtlich ist - wie bei anderen sozialen Problemen - der Blick auf die die weit verbreitete Fremdenfeindlichkeit im Land getrübt. Bereits 1997 sprachen sich in einer Umfrage 25 Prozent der Befragten dafür aus, jegliche Einwanderung gesetzlich zu untersagen, 61 Prozent vertraten die Auffassung, Migranten würden mit Südafrikanern um Arbeitsplätze und Sozialleistungen konkurrieren. Fast zehn Jahre später, im Jahr 2006, bestätigte eine ähnliche Studie diese latente Fremdenfeindlichkeit. Zwei Drittel der Befragten waren der Meinung, dass Ausländer staatliche Leistungen in Anspruch nähmen, die eigentlich Südafrikanern zustünden. Ebenfalls zwei Drittel glaubten, dass Ausländer kriminell seien.

Südafrikanische Zeitungen veröffentlichten am Wochenende eine bislang unter Verschluss gehaltene Umfrage mit dem schockierenden Ergebnis: "Südafrika ist die fremdenfeindlichste Nation der Welt." Natürlich passt dies nicht in das so gern von Präsident Mbeki wiederholte Mantra der "afrikanischen Renaissance".

Wie so oft bei moralisch aufgeladenen Fragen siegt bei Mbeki die Ideologie über die Realität. Er verleugnet Probleme, wie vor zehn Jahren, als der Präsident die Existenz des HIV-Virus anzweifelte - in einem Land mit über fünf Millionen Infizierten.

Anstatt darüber nachzudenken, wie die rechtliche Stellung der vielen Einwanderer verbessert werden kann, wie also Einwander- und Ausländerpolitik grundlegend zu reformieren sind, flüchten sich nun Regierungsmitglieder wie Essop Pahad in absurde Spekulationen und machen rechte Gruppen oder eine "dritte Kraft" für die Orchestrierung der Progrome verantwortlich gemacht. Als dritte Kraft wurden zur Zeit des südafrikanischen Befreiungskampfes verdeckt arbeitende Kommandos des Apartheid-Regimes bezeichnet. Abgesehen von der hastigen Einrichtung einer Arbeitsgruppe ist die Regierung Mbeki bislang substantielle Antworten auf die Gewaltwelle schuldig geblieben.

Drittens zeigt sich an den Übergriffen das Scheitern von Mbekis "stiller Diplomatie" gegenüber Simbabwes Machthaber Robert Mugabe. Bislang hat er jede Kritik am Präsidenten des Nachbarlandes im Norden vermieden, in dem Oppositionelle verfolgt werden und dessen Wirtschaft mittlerweile durch eine Inflation von geschätzten 150.000 Prozent taumelt.

Beobachter schätzen, dass bis zu drei Millionen Simbabwer aus dem Krisenstaat geflohen sind, die meisten nach Südafrika. Damit hat der Exodus im Nachbarland die Zahl der Ausländer explosionsartig erhöht. Viele der Immigranten betreiben nicht lizenzierte Läden oder verkaufen Waren auf der Straße, um zu überleben. Sie stehen damit in direkter Konkurrenz zu vielen schwarzen Südafrikanern, die auf ähnliche Weise ums Überleben kämpfen.

Präsident Mbeki, der von der Staatengemeinschaft des südlichen Afrika SADC als Vermittler eingesetzt wurde, muss nun endlich den Druck auf den Diktator Mugabe erhöhen und so den Massenexodus aus dem Nachbarland stoppen. Realistischer wäre allerdings, ihn als Vermittler abzulösen, als auf einen Strategiewechsel des sturen und beratungsresistenten Präsidenten zu hoffen.

Viertens, und am gravierendsten sind die fortbestehende Armut und Ungleichheit. Bis heute ist Südafrika eine der ungleichsten Gesellschaften der Welt. Es wäre unfair, es allein der südafrikanischen Regierung anzulasten, dass die Hinterlassenschaften der Apartheid in den 14 Jahren demokratischer Regierungszeit nicht beseitigt werden konnten. Vielmehr wurden Millionen Haushalte in den Townships an das Wasser- und Stromnetz angeschlossen, wurde die Gesundheitsversorgung verbessert. Jedoch kam das beachtliche Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahren lediglich einer kleinen Schicht zu gute. Nach offiziellen Angaben hat jeder vierte Südafrikaner keine Arbeit, tatsächlich dürfte die Arbeitslosigkeit aber bei bis zu 40 Prozent liegen. Für viele der Regierungsprogramme, gerade in ärmeren Provinzen, fehlt das Personal. Schon lange fordert die Öffentlichkeit deswegen, die Regierung solle den Benachteiligten endlich wirksam unter die Arme greifen. Die Übergriffe müssen deswegen als ein Warnsignal der Unzufriedenheit mit den sozialen Bedingungen in Südafrika interpretiert werden.

Erkennt Präsident Mbeki diese Signale? Im Augenblick spricht wenig dafür, dass der einstige Hoffnungsträger Afrikas wirklich Verantwortung für die Probleme seines Landes übernimmt. Hoffnung machen im Augenblick allein die Südafrikaner selbst: Nach dem ersten Schock demonstrierten in Johannesburg und Kapstadt Tausende auf den Straßen, um ihre Solidarität mit den Opfern zu zeigen. Viele spendeten Kleidung, Lebensmittel, Decken, Geld und Spielzeug. Diese Solidarität ist entscheidend, damit die fremdenfeindlichen Übergriffe eine - schreckliche - Episode bleiben. Von dem einstigen Hoffnungsträger Mbeki ist nicht mehr allzu viel zu erwarten.

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