die wahrheit: Der Minister fürs Grobe

Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute: Wolfgang "Badekappe" Tiefensee.

Wolle Tiefensee ist nur scheinbar ein trockener Charakter, der seine Tage auf kleiner Flamme verlebt Bild: ap

Eine graue Ameise. Einer, der sich unauffällig von Aktenbergen ernährt. Jemand, dem man Ideen so wenig zutraut wie einer Wand aus Waschbeton. Kurzum: Ein Mensch, dessen Leben so aufregend ist wie Teewasser. Das, glaubt man den wenigen und meist dünnen Berichten der Presse, ist Wolfgang Tiefensee. Wüsste man nicht, dass er bereits seit fast drei Jahren das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung unter seinem Löffel hat und als Beauftragter der Bundesregierung die neuen Bundesländer an den Socken hat, es wüsste niemand.

Wolfgang Tiefensee: Er wirkt so bieder wie ein Familienvater, der noch nie 20 Biere auf einmal im Kopf hatte und dann nackt durch Berlin gelaufen ist. Oder wie ein solide auf Norm eingespurter Angestellter, dem es niemals in den Sinn käme, bei einer erfolgreich eingebrachten Gesetzesnovelle der Kanzlerin vor Glück in die Auslagen zu beißen. Während andere Minister sich bei einem Triumph in eigener Sache schon mal derart freuen, dass sie das Wasser nicht halten können, schmunzelt Tiefensee nur mit dem Mund und lässt seine Augen zufrieden grinsen. Und zieht hinterher in seinem Büro ein Gesicht, wenn ihn niemand sieht.

Tatsächlich ist Wolfgang Tiefensee nur scheinbar ein trockener Charakter, der seine Tage auf kleiner Flamme verlebt. Man sieht dem Mann mit dem Unschuldsgesicht die enorme Energie, kolossale Kraft und ungeheure Heimtücke nicht an, mit der er es im Anschluss an seine 1955 in Gera betriebene Geburt vom schmalen Facharbeiter für Nachrichtentechnik bis zum gefürchteten Entwicklungsingenieur im Fernmeldewerk Leipzig brachte, bevor er, ausgerüstet mit einem unendlichen Geduldsfaden, in die Lokalpolitik übersiedelte und in jahrelangen Intrigen und blutigen Kabalen den mächtigen Stuhl des Oberbürgermeisters zu erwerben verstand, den er nur deshalb in den Wind schrieb, um in Berlin an die ganz großen Schalthebel zu gelangen. Und woran er dort leise und von der eingeschläferten Öffentlichkeit unbemerkt arbeitet, ist geeignet, meterhohe Funken zu schlagen.

Denn Wolfgang Tiefensee heckt Dinge aus, gewaltige Dinge, die die Welt umkrempeln werden und an die selbst Gott sich nicht herangewagt hat. Geübt hat er dafür in seiner Zeit eben als Leipziger Oberbürgermeister von 1998 bis 2005, als er seine Stadt zum weltweiten Luftdrehkreuz der Deutschen Post hochbeamte und alle Konkurrenten aus dem Westen in den Staub bombte, als er die Olympischen Spiele ins Zentralstadion holen, Leipzig zum Überseehafen ausbauen und die Alpen abtragen und am südlichen Stadtrand neu aufschütten lassen wollte. Letztlich scheiterte er damals nur an der Realität.

Wolfgang Tiefensee ist mitnichten der fantasielose Klein-Klein-Minister, als den ihn die Medien einsortiert haben, sondern ein Mann steiler Visionen, ein kühner Brecher und Racker, ein gewaltiger Kracher und Knaller. All dieser lächerliche Pipifax wie der explodierende Autobahnverkehr, das dauernde Gepiesepampel mit der Deutschen Bahn, der müde Aufbau im Osten … Kokolores! Er, Wolfgang Tiefensee, hat Größeres vor, wird für die geplanten großen Ostwest- und Nordsüdtangenten die komplette BRD ausbaggern, Europa verkehrsgünstig in der Mitte der Weltkugel platzieren, die Antarktis auf dem Schienenweg zum Mond schaffen und so das Wasserproblem für das interstellare Logistikzentrum der Post lösen, schließlich mit festen Asphaltstraßen von der Erde aus das Universum erschließen und die Bodenschätze fremder Galaxien für alle nutzbar machen!

Man ahnt es nach dem Gesagten fingerdick: Die scheinbar stille Maus Tiefensee ist in der Bundesregierung auch der Minister fürs Grobe, ist in Wirklichkeit der Hammer Merkels. Wenn eine Kabinettssitzung aus dem Ruder zu laufen droht, ist er es, der mit starker Stimme dazwischenhaut - selbst die Mücken vergraben sich dann vor Angst in der Gardine. Wenn es gilt, einen Minister mit dem Stuhlbein zur Ordnung zu rufen, einen Staatssekretär durch den Fleischwolf zu drehen oder einem undichten Journalisten die Zunge an den Teppich zu nageln, ist Wolfgang Tiefensee zur Stelle und erledigt den Auftrag der Kanzlerin schnell, diskret und kostenlos. Er brütet nicht lange über Rache und Blutwurst, sondern schreitet zur giftigen Tat. Wen er auf dem Kieker hat, kann froh sein, wenn ihm lediglich Kopf, Rumpf und Gliedmaßen zermalmt und der Rest zum Trocknen aufgehängt werden. Sein Spitzname in der Regierung: Wolfgang, der Kannibale. Seine Hobbys: Elefanten zerbröseln, Häuser spalten, Kontinentalplatten kaputt machen.

Wolfgang Tiefensee - ein Monster aus den schwärzesten Tiefen der Hölle, vor dem selbst der Satan eine nasse Hose kriegt. Wenn er - Moment, es klingelt gerade. Ich gehe nur kurz nachschau- … he, ich habe nicht "Herein" ge- … ahhhhhhhh!!!!!

PETER KÖHLER

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.