spielplätze (2): im club der polnischen versager: Von Fußball keine Ahnung

Nix mit herkömmlichen Fußball haben die Betreiber des Club der Polnischen Versager am Hut. Fußball gucken kann man dort dennoch gut - wenn man sich nicht an Witzen über die EM stört

Alle gucken wieder Fußball. Die taz auch. Bis zum Ende der Europameisterschaft berichten wir täglich live von den Berliner Spielplätzen. Heute: Deutschland - Polen im "Club der polnischen Versager".

Die Ankündigung der Live-Kommentatoren ist kein Scherz. "Wer einen konventionellen Spielbericht erwartet, wird enttäuscht", stellen Adam Gusowski und sein Gegenpart Christoph Theußl vor Anpfiff der Partie Deutschland - Polen im "Club der polnischen Versager" klar. Nein, der Mitbegründer des Ladens und der österreichische Alles-Künstler wollen stattdessen einen "komplex-philosophischen" Kommentar liefern, der "professionell parteiisch" gewichtet sein sollte. Der O-Ton des Fernsehreporters wird leise gestellt (was dem Fußballgenuss per se keinen Abbruch tun muss); als die Nationalhymne läuft, stimmt das Duo ein "Happy Birthday" an. Vor dicht besetzten Stuhlreihen - trotz der hohen Temperaturen am Sonntagabend ist der dunkle, leicht miefige Raum mit Großbild-Leinwand kurz nach 20 Uhr voll. Wer später kommt, darf höchstens um die Ecke am Tresen stehen (aber trotzdem zwei Euro Eintritt zahlen, zu hören waren die Kommentatoren ja).

Die Luft ist dick, die Stimmung gut. Vorwiegend polnischstämmige Fußballliebhaber trinken polnisches Bier und Bionade, Kekse mit Frischkäse gibt es für lau an der Theke. Der Versager-Club, gegründet vor sieben Jahren, ist von allem etwas - ein bisschen Club, ein bisschen Café, Veranstaltungsort und Treffpunkt polnischer Exilanten - und für jeden ist etwas dabei. Zum ersten Spiel der Heimatmannschaft sitzen Familien neben älteren polnischen Ehepaaren, dazwischen tummelt sich der Prototyp des Club-Besuchers. Das Stammpublikum ist versammelt. Angeblich hat sich eine Handvoll Anhänger der deutschen Mannschaft darunter gemischt; doch das bleibt ein Gerücht: Die dominierenden Farben in dem wohnzimmergroßen Raum sind die polnischen Landesfarben Rot und Weiß.

Anpfiff, die Stimmung im Raum ist eindeutig pro-polnisch. Zu jubeln finden die 50 Gäste trotz der anfänglich mäßigen Leistung der Mannschaft genug, denn: Auch Lukas Podolski und Miroslav Klose kommen aus Polen, wie die Kommentatoren anmerken. Nach 45 Minuten geballter Gusowski/Theußl-Expertise weiß jeder, dass "die Polen heute mit zwei Mann mehr auf dem Feld" stehen. Podolski hätte sich gefreut, endlich sprach ein Kommentator seinen Vornamen einmal richtig aus.

Beim weniger interessierten Fußball-Publikum kommen die Kalauer in der Regel gut an. Witze über die "blaue Mannschaft" (gemeint sind die Schiedsrichter) und philosophische Gedanken über deren Pfeifen werden mit Lachern bedacht, zumindest bei den ersten Malen. Gusowski und Theußl diskutieren Fantasie-Spielstände, vertauschen absichtlich Spielernamen und lassen sich über die "stets verbissenen" Deutschen aus. Theußl lümmelt auf dem Sessel und beschwert sich über den häufigen Ballkontakt der Deutschen. "Das bin ich als Österreicher nicht gewohnt", erklärt er in ausgewachsenem Heimatdialekt.

Das Kommentatoren-Doppel sieht seine herausragende Eigenschaft darin, dass es keine Ahnung von Fußball hat, dafür ein Herz für die leisen Zwischentöne einer Übertragung. Wenn diese nur zu hören gewesen wären in all dem Klamauk: Dem sportinteressierten Zuschauer wird kaum eine Chance gegeben, die Begegnung ernsthaft zu verfolgen. "Mal ist das ja ganz interessant", sagt eine Besucherin noch vor dem Ende der ersten Halbzeit. "Aber jedes Spiel möchte ich nicht so sehen."

Wie gesagt: Wer herkömmlich Fußball sehen möchte, ist hier fehl am Platz.

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