Kosovo bekommt neue Verfassung: Ungewisse Unabhängigkeit

Am Sonntag soll im Kosovo eine neue Verfassung in Kraft treten. Die Zukunft des Landes ist dennoch ungewiss. Russland und Serbien sperren sich nämlich weiter dagegen.

Britische NATO-Soldaten patroullieren im Kosovo. Bild: ap

PRISHTINA taz Joachim Rücker, der ehemalige Bürgermeister aus Sindelfingen und Chef der UN-Mission im Kosovo, ist in seinem Job gewachsen. Seit zwei Jahren führt der Schwabe die UN-Mission im Kosovo geschickt und mit bestimmter Hand. Vor allem in den letzten Monaten hat er geduldig versucht, unvereinbare Positionen der internationalen Szenerie in Bezug auf das Kosovo in Einklang zu bringen und doch noch einen für alle Seiten tragfähigen Kompromiss zu eröffnen. Tragisch dabei ist, dass er trotz aller Anstrengungen in den nächsten Tagen scheitern könnte.

Die Lage seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo am 17. Februar dieses Jahres ist vertrackt: Mit dem Widerstand Russlands im UN-Sicherheitsrat und der kompromisslosen Haltung Serbiens, das Kosovo niemals aufzugeben, war der Plan, dem Kosovo den Status einer von der EU kontrollierten Unabhängigkeit zu geben, in Frage gestellt. Russen und Serben bestehen weiterhin auf der Resolution 1244 des Sicherheitsrates, die in ihrem Verständnis das UN-Protektorat Kosovo als Teil Serbiens definiert. Dagegen gehen die meisten EU-Staaten, die USA und auch UN-Experten davon aus, dass die Resolution auch die Möglichkeit bietet, die UN-Mission zu beenden. Demnach sollte die UN-Mission am 15. Juni enden und die Oberaufsicht über das Kosovo der EU übergeben werden. Gleichzeitig sollte die neue Verfassung des Staates Kosovo in Kraft treten und damit dem heimischen Parlament und der Regierung mehr Kompetenzen übergeben.

Seit Februar bemüht sich Rücker, eine Lösung zu finden. Das Resultat war ein von Rücker inspirierter Brief des UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon, der am Donnerstag den Präsidenten Serbiens und Kosovos übergeben wurde. Darin schlägt der UN-Generalsekretär vor, die UN-Mission in abgespeckter Form weiter bestehen zu lassen und die europäische Mission (Eulex) mit ihren 1.800 Rechts- und Verwaltungsexperten sowie den Polizisten unter dem Schirm der UN ins Land zu bringen. Ban Ki Moon bot in dem Brief, der gleichzeitig dem Sicherheitsrat übergeben wurde, sogar an, über die Tätigkeit der Eulex-Mission nochmals im Einzelnen zu verhandeln. Mit dieser Konstruktion, so hofften Rücker und Ban Ki Moon, könnten sich Russland und Serbien abfinden. Doch das Gegenteil scheint der Fall.

Der serbische Ministerpräsident Vojislav Kostunica lehnte gestern ab. Und auch aus dem russischen Außenministerium kamen negative Reaktionen. Die Russen fordern sogar die Ablösung Rückers, weil er den von Russland abgelehnten Ahtisaari-Plan ohne einen Beschluss des Sicherheitsrates doch noch durchsetzen wolle. Die Rücktrittsforderung ist zwar nur ein diplomatisches Geplänkel, weil klar ist, dass Rücker mit dem neuen Mandat der UN-Mission von selbst zurücktreten und dem italienischen Diplomaten Lamberto Zannier Platz machen wird. Doch die Reaktion könnte ein Hinweis darauf sein, dass es Ban Ki Moon doch nicht, wie erhofft, gelungen ist, die Russen mit ins Boot zu holen.

Am 20. Juni wird der Sicherheitsrat über den Brief Ban Ki Moons diskutieren. Dann wird man sehen, wie Russland sich entscheidet. Bleibt es beim Njet, wären Joachim Rücker und die UN-Mission gescheitert. Und die EU stünde vor dem Trümmerhaufen ihrer bisherigen Strategie. So klammern sich sowohl Rücker wie auch der Chef der inzwischen auf 300 Mitarbeiter angewachsenen Eulex-Mission, Pieter Feith, ans Prinzip Hoffnung.

Für die Kosovo-Regierung scheint aber alles nach außen hin klar zu sein. Premierminister Hashim Thaci erklärte, mit der neuen Verfassung werde am 15. Juni ein neues Kapitel in der Geschichte des Landes aufgeschlagen. Da die Nato entschieden hat, Kosovo Security Forces, also eine leichtbewaffnete Armee von zunächst 1.200 Mann, aufzubauen, tut man im offiziellen Prishtina so, als ginge alles glatt über die Bühne. Doch in der politischen Szene der Hauptstadt grummelt es. Da will man nicht hinnehmen, dass die Tätigkeit der Eulex-Mission neu verhandelt werden soll. "All diese Konzessionen an Serbien und Russland könnten wieder zu Unruhen bei den Albanern führen", erklärt der Abgeordnete Bujar Bukoshi.

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