Verhärtete Fronten in Irans Atomkonflikt

Teheran besteht nach wie vor auf seinem Recht zur Uran-Anreicherung. USA und EU fordern endgültigen und dauerhaften Verzicht. Befassung des UN-Sicherheitsrats mit dem Streit wird immer wahrscheinlicher. IAEA entscheidet am 24. November

VON BAHMAN NIRUMAND

Am Samstag meldeten die Agenturen, Teheran habe einen Vermittlungsvorschlag Russlands zur Lösung des iranischen Atomkonflikts abgelehnt. Moskau hatte vorgeschlagen, Iran solle erlaubt werden, in eingeschränktem Maße Atomanlagen zu betreiben. Die Anreicherung des nötigen Urans solle jedoch nach Russland verlagert werden.

Diesen Vorschlag, dem vermutlich auch die USA und die EU-Verhandlungspartner Irans, Deutschland, Frankreich, Großbritannien zugestimmt hätten, lehnte Irans Atombeauftragter und Vizepräsident Gholamresa Aghasadeh ab. Nach einem Treffen mit dem Sekretär des nationalen Sicherheitsrats Russlands, Igor Iwanow, am Samstag in Teheran erklärte Aghasadeh: „Irans Nuklearbrennstoff muss im Land selbst hergestellt werden.“

Demgegenüber sagte Irans Außenamtssprecher, Hamid Resa Assefi, gestern, die Gespräche mit dem russischen Beauftragten seien „sehr konstruktiv“ gewesen, aber ein Vorschlag sei nicht vorgelegt worden. Iran begrüße jeden Vorschlag, der zur Lösung des Konflikts führen könne. Auf die Frage, wie die Äußerungen Aghasades zu verstehen seien, sagte er: „Die Meldungen sind reine Stimmungsmache, um bestimmte Ziele gegen Iran durchzusetzen.“ Jedoch betonte auch er, dass Iran auf die Herstellung des atomaren Brennstoffs nicht verzichten werde.

Das genau ist aber der Kern des Problems. Objektiv betrachtet hat Iran als Mitglied des internationalen Atomsperrvertrags das Recht auf Herstellung des gesamten Brennstoffkreislaufs. Die Internationale Atombehörde (IAEA) ist gemäß dem Vertrag sogar verpflichtet, die Mitgliedstaaten dabei zu unterstützen. Doch die EU und erst recht die USA, die davon überzeugt sind, dass Iran den Brennstoff auch für die Herstellung von Nuklearwaffen nutzen wolle, verlangen von Teheran den dauerhaften und endgültigen Verzicht.

Verhandlungen mit dem EU-Trio waren im August gescheitert. Teheran hatte die Anlage in Isfahan wieder in Betrieb genommen. Angereichertes Uran kann sowohl für friedliche Zwecke als auch zur Herstellung von Atombomben verwendet werden. Iran hat stets beteuert, keine Nuklearwaffen produzieren zu wollen. Als Vertrauensmaßnahme hat Teheran zuletzt vorgeschlagen, ausländische Unternehmen an der Herstellung des Brennstoffs zu beteiligen, was die USA und die EU ablehnten.

Der Gouverneursrat der Internationalen Atombehörde hatte am 24. September in einer Resolution gedroht, den Konflikt vor den UN-Sicherheitsrat zu bringen. Die endgültige Entscheidung darüber soll nun am 24. November fallen. Ein Ausweg ist nicht in Sicht. Sollte Iran den russischen Vorschlag ablehnen, wird sich der Gang zum Sicherheitsrat kaum vermeiden lassen.

Die Fronten sind verhärtet, nicht zuletzt dadurch, dass die EU Iran zum Verzicht auf sein Recht zwingen wollte, ohne dem Land handfeste Angebote zu machen. Das Sicherheitsbedürfnis Irans ist sehr groß. Die Existenz der Atommächte, Indien und Pakistan im Osten, Russland im Norden und Israel im Westen sowie vor allem die US-Militärpräsens in sämtlichen Nachbarstaaten Irans liefern jenen Kräften schlagende Argumente, die hinter vorgehaltener Hand den Bau von Atomwaffen empfehlen.

Die EU ist dem Sicherheitsbedürfnis Irans nicht nachgekommen. Damit hat sie den Fundamentalisten in Teheran und den Neokonservativen in Washington den Weg zu einer Konfrontation geebnet. Am Samstag meldete die New York Times, angeblich sei die US-Regierung im Besitz eines gestohlenen Laptops, aus dem ersichtlich werde, dass Iran am Bau von Atomsprengköpfen für Raketen arbeite. Der Konflikt eskaliert, die Folgen von Sanktionen könnten weit verheerender sein als die im Irak.

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