Russland - Schweden: Mit dem Weltenbummler zum Sieg

Trainer Guus Hiddink führt die russische Nationalelf zu ihrem größten Erfolg seit 20 Jahren. Nach einem hochverdienten 2:0 gegen müde Schweden, steht das junge Team im Viertelfinale.

Guus Hiddink freut sich mit Torwart Akinfeev über den Sieg Russlands. Bindet ihn der Erfolg dauerhaft an den russischen Fußball? Bild: dpa

INNSBRUCK taz Guus Hiddink hätte die Schweden trösten können, ein Wort hätte gereicht, ein „Ja“, oder zumindest eine vage Aussage, aber es wollte ihm nicht über die Lippen kommen. Ein Journalist hatte wissen wollen, ob er nicht irgendwann bereit sei, das Dreikronenteam zu betreuen. Das Gelächter im Pressezelt am Tivolistadion war groß, Hiddink musste selbst schmunzeln. „Ich werde immer älter“, sagte er: „Aber ich komme nach Schweden. Ganz bestimmt, irgendwann – als Tourist.“ Utopisch war die Wunschvorstellung des Reporters nicht, Hiddink hat die halbe Welt bereist auf seiner Tournee als Trainer, er würde vermutlich auch in Skandinavien Erfolg haben, nur der Zeitpunkt dieses Entwurfs passte überhaupt nicht: Hiddink ist mit der russischen Auswahl am Mittwochabend ins Viertelfinale der EM eingezogen. Ein eindrucksvolles 2:0 ebnete den größten Erfolg der Russen seit zwanzig Jahren – ausgerechnet gegen die Schweden, für die das Turnier beendet ist.

„Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft“, sagte Hiddink während der Pressekonferenz. „Sie hat innerhalb einer kurzen Zeit einen riesigen Fortschritt gemacht.“ Von Beginn an ließ die russische Mannschaft die schwedischen Abwehrspieler wie Hinterhofkicker aussehen, ihr Tempo war hoch, ihre Angriffe wirkten einstudiert. Roman Pawljutschenko (24.) erzielte die Führung, Andrej Arschawin (50.) sorgte für den Entstand. Der Stürmer des Uefa-Pokal-Siegers Zenit St. Petersburg, der wegen einer Rotsperre in den ersten beiden Spielen gesperrt war, wurde zum Spieler des Spiels gewählt. Er schnappte sich den Pokal und lief davon, reden wollte er nicht. Das übernahm stattdessen Guus Hiddink. Er lobte: „Das war mehr als nur Fußball.“ Russland hätte noch höher gewinnen können, ließ zahlreiche Chancen ungenutzt. „Das dürfen wir uns im Viertelfinale nicht erlauben“, sagte Hiddink. Vor allem er wird am Samstag im Mittelpunkt stehen, wenn sein Team in Basel auf die Niederländer treffen wird, die Auswahl seiner Heimat, die er in den neunziger Jahren betreut hatte. Es ist die Neuauflage des EM-Endspiels von 1988, damals siegten die Niederländer.

Ausgiebig über die Vergangenheit reden wollte Hiddink, 61, allerdings nicht. Er wertete das Weiterkommen der Russen als historische Chance: „Es ist wichtig, diesen Moment zu nutzen, um die Infrastruktur und den Nachwuchs im russischen Fußball zu verbessern.“ In Moskau oder St. Petersburg dürften diese Worte Freude auslösen. Viele Russen fürchteten, die Arbeit Hiddinks sei ein Engagement auf Zeit. So hatte er es Anfang des Jahrtausends in Südkorea gehandhabt, lange war er dafür kritisiert worden, dass er zu wenig Zeit mit seiner Mannschaft verbringen würde. Am Ende interessierte das niemanden, Hiddink führte das Team zu Platz vier bei der WM 2002, und wurde von den Koreanern vergöttert. Vier Jahre später navigierte er das Team des Fußballentwicklungslandes Australien in Deutschland ins WM-Achtelfinale, der Aufwand muss sich in Grenzen gehalten haben, zeitgleich hatte er den PSV Eindhoven zur Meisterschaft geführt.

Die Russen wollen Guus Hiddink mit niemandem teilen, sie träumen von einer Rückkehr in die Weltspitze und von Erfolgen, wie sie frühere Generationen erspielt haben: 1960 gewann die UdSSR die EM, dreimal wurde sie Zweiter. Wieder scheint Hiddink eine seiner großen Stärken genutzt zu haben: die Motivation. Systematisch hat er alternde Spieler durch Talente ersetzt, doch viele Alternativen besitzt er nicht. Sein Konzept wird kennzeichnet von Effektivität. Vielleicht wird nun auch die Debatte um die Fortführung seiner Arbeit verstummen. Der Vertrag wurde bis 2010 verlängert, ob Hiddink bleibt, ist nicht sicher. So fordern Verbandsobere, dass er seinen Hauptwohnsitz nach Russland verlegt, um Jugendfußball und Rahmenbedingungen besser kennen zu lernen. Die Kritik der Offiziellen ist verhalten, schließlich hat Hiddink das bessere Argument: Erfolg.

Doch kann ein Trainer, der die Niederlande bei der WM 1998 ins Halbfinale führte, und Spitzenklubs wie Real Madrid, den FC Valencia oder Fenerbahce Istanbul betreute, dauerhaft in Russland glücklich werden? Einem Land mit komplexen Funktionärsstrukturen, in dem viele über den Sport bestimmen wollen? Hiddink hat noch keine Entscheidung bekannt gegeben, eines ist jedoch sicher: Trainer in Schweden wird er vorerst nicht – höchstens Tourist.

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